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Young Sherlock Holmes 4

Young Sherlock Holmes 4

Titel: Young Sherlock Holmes 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Lane
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ihr Hotel lag und wo er sich gerade befand.
    Er faltete die Karte zusammen, steckte sie in die Tasche und machte sich zum Park auf. Jetzt war er schon sicherer, dass er sich zurechtfinden würde.
    Die Sonne war gerade zwischen den Wolken hervorgebrochen und warf schräge Säulen aus Licht auf das marmorierte Blau und Grau der Stadt, was aussah, als würde der Himmel über Edinburgh von leuchtenden Pfeilern getragen. Hier und dort einen Blick in die Seitenstraßen werfend, während er auf der Princes Street dahinschlenderte, erhaschte er immer wieder Blicke auf die Burg. Sie wirkte nun nicht mehr wie eine massive graue Wolke, die über der Stadt hing. Vielmehr hatte ihr Anblick etwas, das jedweder Geometrie und Perspektive Hohn zu sprechen schien. Es sah schlichtweg aus, als müsste es eigentlich unmöglich sein, dass sich die Burg
dort
oben, die Stadt hingegen
hier
unten befand.
    Als er an einer weiteren kleinen Seitenstraße vorbeikam, drang von irgendwo aus den Schatten ein schlurfendes Geräusch an sein Ohr. Neugierig geworden blieb er stehen und wandte den Blick zur Seite. Er machte keine Anstalten, sich der Gasse weiter zu nähern – das wäre töricht gewesen –, aber falls ihm jemand folgte, wollte er wissen, mit wem er es zu tun hatte.
    Einen Moment lang sah er nichts als wabernde Schatten, ähnlich fast einer flüssigen Schwärze, zu der die Sonne niemals vordrang. Aber nach ein paar Augenblicken hatten sich seine Augen an den Kontrast gewöhnt, und er konnte etwas ausmachen, das in der Luft zu schweben schien. Etwas, das aussah wie ein weißer Ballon.
    Es bedurfte einen Augenblick der Konzentration, bis sein Gehirn erkannte, auf was er da starrte: Es war das Gesicht von jemandem, der völlig in Schwarz gekleidet war und reglos dort stand und ihn aus der Gasse heraus anstarrte.
    Sherlock machte unfreiwillig einen Schritt zurück. Das Gesicht war kreidebleich, und die Augen lagen so tief in den Höhlen, dass sie wie zwei schwarze Löcher wirkten. Die Wangenknochen stachen scharf hervor, und die Lippen – wenn die Gestalt denn überhaupt welche hatte – waren so stark gefletscht, dass es aussah, als würde sie über einen Witz grinsen, den Sherlock gerade gemacht hatte und den nur sie beide verstanden. Einen fast ewig scheinenden Moment lang war Sherlock überzeugt, dass dort vor ihm in der Gasse ein verwesender menschlicher Körper stand und ihn ansah, ein Ding, das einem Skelett sehr nahe kam. War es der Erde entrissen und einfach dortgelassen worden, aufrecht gegen ein Stück Holz gestützt, als Warnung?
    Da hob die Gestalt plötzlich eine Hand, winkte und wich in die Dunkelheit zurück, so dass Sherlock sie nicht mehr erkennen konnte. Erst als sie verschwunden war und ihn fröstelnd und zitternd zurückgelassen hatte, fiel ihm der Mann in der Taverne ein. Der, der alleine am Tisch gesessen hatte. War er es gewesen? Die Gestalt eben hatte sogar noch mehr wie ein Skelett ausgesehen, noch mehr wie ein Toter, aber da mochte ihm auch das spärliche Licht einen Streich gespielt haben.
    Was ging hier vor sich? Er dachte an das zurück, was seine Tante und sein Onkel ihm erzählt hatten. War er etwa dabei, verrückt zu werden? So wie sein Vater?
    Einige Sekunden lang verspürte Sherlock den Drang, tiefer in die Gasse hineinzugehen und nach der Gestalt zu suchen – dem auf dem Grund zu gehen, was er da eben gesehen hatte –, aber stattdessen zog er sich lieber zurück. Logisch betrachtet bestand die wahrscheinlichste Erklärung darin, dass es sich um eine Falle handelte und die Gestalt einen Köder darstellte, um ihn weiter in die Gasse zu locken. Blieb nur die Frage, ob das alles reiner Zufall war oder tatsächlich jemand darüber Bescheid wusste, dass seine Neugier häufig über den gesunden Menschenverstand triumphierte. Verstört entfernte sich Sherlock von der Mündung der Gasse, ohne noch einmal zurückzublicken.
    Der Park war nur ein paar Minuten entfernt, und als er dort eintraf, wartete Matty bereits auf ihn.
    »Alles in Ordnung mit dir?«, fragte ihn sein Freund. »Du siehst aus, als hättest du ein Gespenst gesehen.«
    »Sei nicht albern«, erwiderte Sherlock in scharfem Ton. »So was wie Gespenster gibt es nicht.«
    »Ist ja gut, bleib locker.«
    »Hast du irgendetwas herausgefunden?«, fragte Sherlock.
    Matty schüttelte den Kopf. »Die meisten Kerle und Jungen, die ich in der Gegend mal kannte, sind weitergezogen. Oder gestorben. Hab’ dann doch noch ’n paar gefunden, die sich an mich

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