Young Sherlock Holmes 4
gestorben war und keine Angehörigen mehr hatte. Um sie dann an jemandem vom College zu verscherbeln, der sie für den Anatomieunterricht der Studenten gebrauchen konnte. Es dauerte tatsächlich nicht lange, als irgendein alter Pensionär, der Hare vier Pfund schuldete, eines natürlichen Todes starb. Burke und Hare sorgten dafür, dass der Sarg, der in die Erde gelassen wurde, mit Baumrinde gefüllt war, und verhökerten die Leiche hier in Edinburgh für sieben Pfund an einen Dr Knox.«
»Wie überaus geschäftstüchtig«, meinte Sherlock trocken.
»Ihr Problem war nur, dass die Leute nicht schnell genug eines natürlichen Todes starben, also beschlossen sie, ein bisschen nachzuhelfen. Der Erste, den sie tatsächlich umbrachten, war ein Müller aus der Gegend. Sie füllten ihn erst mit Whisky ab und erstickten ihn dann. Bei Nummer zwei handelte es sich ebenfalls um einen Pensionär, diesmal allerdings um eine Frau namens Abigail Simpson. Und danach …« Er zuckte die Achseln. »Na ja, das Ganze kam jedenfalls ins Rollen und lief wie geschmiert. Dr Knox bezahlte ihnen eine garantierte Summe für jede gelieferte Leiche und stellte keine Fragen – zehn Pfund, wenn der Körper in gutem Zustand war, acht, wenn irgendetwas damit nicht stimmte. Sie bevorzugten natürlich Frauen und Kinder, weil die leichter zu überwältigen und zu ersticken waren.«
Sherlock merkte, wie ihm übel wurde. Es war die beiläufige und zufällige Art dessen, was Burke und Hare getan hatten, was ihm an die Nieren ging. Bei den Morden handelte es sich nicht um Verbrechen aus Leidenschaft oder dem Effekt heraus – sie stellten etwas dar, bei dem es sich um eine Reihe von erfolgreichen Geschäftsentscheidungen handelte. Geschäftsentscheidungen, deren Weg von Leichen gepflastert war.
»Wie viele Leute haben sie am Ende insgesamt umgebracht?«, fragte er leise, als sie um eine Ecke bogen und auf die Eingangstür des Hotels zusteuerten.
»Nach allgemeiner Schätzung siebzehn«, antwortete Matty, »in einem Jahr.«
»Und niemand hat Verdacht geschöpft? Ich meine, der Arzt, dem sie die Leichen verkauft haben, muss doch gemerkt haben, dass es sich nicht um hingerichtete Kriminelle handelt. Die Hinrichtung durch den Strang hinterlässt bestimmte Spuren am Hals, und bei diesen Leichen müssen sie gefehlt haben.«
»Dr Knox? Ja, er hat alles gewusst. Obwohl Burke später das Gegenteil geschworen hat. Knox wollte einfach nicht, dass der Nachschub an Leichen versiegt. Er war gerade dabei gewesen, sich einen Ruf als bester Anatomielehrer weit und breit zu erwerben. Die Studenten kamen in Scharen zu seinen Vorlesungen und bezahlten für dieses Privileg. Er wollte das alles nicht aufgeben.« Matty stieß ein Schnauben aus. »Wie man sich erzählt, gab’s da dann einen Kerl namens Daft Jamie, den Burke und Hare umgebracht haben und der ziemlich bekannt in der Stadt war. Als Dr Knox im Anatomiehörsaal die Leiche enthüllte, bereit, den ersten Schnitt zu machen, erkannten einige der Studenten den Leichnam. Knox behauptete, dass es sich um jemand anderen handeln würde. Aber er startete mit dem Sezieren gleich im Gesicht, um es schleunigst unkenntlich zu machen.«
»Und was ist am Ende passiert?«, fragte Sherlock, als er die Eingangstür des Hotels aufschob. »Ich vermute mal, dass sie aufgeflogen sind, andernfalls würdest du das alles nicht wissen.«
»Burke und Hare brachten eine Frau namens Marjory Docherty in ihrer Pension um. Aber bis sie die Leiche loswerden konnten, versteckten sie sie unter einem Bett. Es gab noch andere Pensionsgäste dort, und die schöpften Verdacht. Als Burke nicht im Haus war, haben sie in seinem Zimmer nachgesehen und sie gefunden. Also haben sie die Bullen gerufen. Aber Burke und Hare hatten die Leiche schon wieder aus dem Haus geschafft, bevor die aufkreuzten. Allerdings brachten sie sie zum Haus von Dr Knox, wo die Bullen sie später gefunden haben. Hare trat als Kronzeuge auf und sagte gegen Burke aus, wofür er Straffreiheit bekam. Burke wurde gehängt und sein Körper in aller Öffentlichkeit im Medical College von Edinburgh seziert – völlig legal natürlich.«
»Und was ist mit Hare passiert?«
»Verschwunden. Von dem hat man nie wieder was gehört.«
»Also könnte er sich immer noch irgendwo in der Stadt herumtreiben?«
Matty nickte, als er seine Zimmertür öffnete. »Könnte gut sein. Aber noch wahrscheinlicher ist er wieder nach Irland zurück.«
Am nächsten Morgen hatten sie immer noch
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