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Ysobel – Das Herz aus Diamant

Ysobel – Das Herz aus Diamant

Titel: Ysobel – Das Herz aus Diamant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Cordonnier
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hatte, und vermutlich hatte Dame Volberte diesen Raum, der einmal zum geschäftigen Reich von Ysobels Mutter gehört hatte, niemals betreten.
    Das erkannte man schon an dem Schmutz und dem Tauben- und Möwenkot, den Ysobel allerdings nach und nach beseitigt hatte. Jetzt glänzte die Kammer makellos sauber. Auch das große Schrankbett der Näherinnen war dieser Reinigungskur unterzogen worden. Seine gewaltigen Ausmaße bewiesen, dass der Zimmermann es in diesem Raum zusammengebaut hatte, und deswegen stand es wohl auch noch immer am gleichen Platz. Man hätte es höchstens als Feuerholz durch die Pforte gebracht.
    Ysobel hatte das Stroh in der Matratze nach und nach erneuert und die mürben Laken geflickt. Jetzt bot ihr der hölzerne Alkoven, dessen breite Schiebetür im oberen Teil ein durchbrochenes Band aus Schnitzereien trug, Schutz und Wärme in der Nacht. Durch die regelmäßigen Schnitzereien drang genügend frische Luft für einen erquickenden Schlaf herein, gleichzeitig aber hielt die Tür Kälte und Zugwind fern, so dass sie in dieser abgeschlossenen Höhle bei weitem besser schlief als die Edeldamen in der Turmkammer.
    Sie kauerte sich bei offener Schubtür auf die Matratze und machte sich daran, ihre feuchten Haare zu entwirren. Ein zerbrochener Elfenbeinkamm, der nur noch wenige Zacken besaß, half ihr dabei. Ein Andenken an ihre Mutter, das sie zusammen mit ein paar verblichenen Seidenbändern in der kleinen, eingebeulten Silberschatulle gefunden hatte, die sich überraschenderweise noch in ihrem Versteck hinter den Dachsparren des Taubenhauses befand. Damals hatte Ysobel kleine Geheimnisse und Kinderschätze darin gehortet. Nun waren diese nutzlosen Dinge das einzige, was sie ihr eigen nennen konnte.
    Sie unterbrach ihre Arbeit und schüttelte den rechten Arm aus, um den Krampf zu vertreiben, der ihre überbeanspruchten Muskeln durchzitterte. Die Arbeit am Spülstein zeigte Folgen, und es fiel ihr immer schwerer, die feuchten Strähnen zu kämmen. Doch sie wusste, wenn sie die Haare jetzt nicht zu einem strengen Zopf focht, damit sie über Nacht trocknen konnten, würde sie morgen eine widerspenstige Wolke von Locken um den Kopf haben, die garantiert Dame Volbertes Kritik herausforderte.
    Aber warum hatte sie sich überhaupt die Mühe gemacht, die Masse ihres Haars zu waschen? Ein weiterer Tag im Küchenhaus oder eine andere schweißtreibende, schmutzige Arbeit würden die Mühe schnell zunichte machen. Andererseits bestand natürlich auch die Möglichkeit, dass der kurze Anflug von Sauberkeit bis zur Vesper anhielt.
    Zur Vesper? Damit hatte sie endlich den gefährlichen Gedanken ausgesprochen, den sie sich die ganze Zeit so energisch verbat. Das Stelldichein am Strand. Wollte sie für den fremden Fischer sauber und ansehnlich sein? Dachte sie wirklich daran, diese Verabredung einzuhalten?
    Ysobel verengte die Lider und zwang sich, der Wahrheit ins Auge zu sehen. Der Kuss des Fremden hatte, so verwirrend und empörend er auch war, eine ganze Sturzflut von Empfindungen freigesetzt, die sie bisher erfolgreich unter Kontrolle gehalten hatte.
    Sie mochte in Sainte Anne gelernt haben, ihre unstillbare Sehnsucht nach ein wenig Zärtlichkeit und Zuneigung in den hintersten Winkel ihres Herzens zu verbannen, aber offensichtlich war dieser Wunsch niemals ganz ausgerottet worden. Immerhin hatte sie das erste Dutzend ihrer Lebensjahre in einer fröhlichen, liebevollen Familie verbracht – und die andere Hälfte mit der Sehnsucht nach diesem verlorenen Paradies.
    Ein einziger Kuss, ein freundliches Wort, ein Lächeln – und schon brachen die Erinnerungen über sie herein. Sie hatte selbst nicht geahnt, wie sehr sie sich nach ein wenig Anteilnahme und etwas Wärme sehnte. Ihr Herz war dem liebenswürdigen Spitzbuben entgegengeflogen, ehe sie es festhalten konnte.
    Ein leises sprödes Lachen schwebte in der Dunkelheit des Raumes, und Ysobel bemerkte nicht gleich, dass sie selbst es ausgestoßen hatte. Wie hatte sie über Gratien und seine blinde Liebe zu Dame Thilda geschimpft, als sie entdeckte, dass sie keine Unterstützung bei ihm finden würde. Aber hatte sie ein Recht, ihn zu rügen, wenn sie selbst so tief gesunken war, dass sie die Schmeicheleien eines freundlichen Fischers ernst nahm? War es der Fluch der Locronans, dass sie sich an Menschen verschwendeten, die ihrer nicht würdig waren?
    Thilda mochte ein herzloses Biest sein, aber sie war wenigstens eine Dame von edlem Blut. Die fast schon an Hörigkeit

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