Ysobel – Das Herz aus Diamant
scheinen, als würde mich Paskal Cocherel noch an den Rand meines Grabes bringen. Ganz Frankreich wird über mich lachen, wenn man erfährt, dass ich eine Schlacht plane und meinen Gegner dafür erst suchen muss!«
»Ihr vergesst, dass ich lange genug an seiner Seite gelebt habe, um die verschlagenen Wege seines raffinierten Verstandes zu kennen«, beruhigte Hervé de Sainte Croix seinem Herzog. »Er benötigt eine Festung, die er problemlos verteidigen kann und die gleichzeitig so weit entfernt von Rennes ist, dass seine Truppenbewegungen nicht auffallen. Hinzu kommt, dass er in diesem Moment jede befestigte, größere Stadt meiden muss. Er hat nicht mehr genügend Männer, um die rebellischen Bürger zum Schweigen zu bringen. Die Zeiten, da sich alle Galgenvögel des Landes unter seinem Banner versammelt haben, sind längst vorbei!«
»Eine Festung am Meer«, spekulierte der Herzog weiter und runzelte nachdenklich die Stirn. »Möglichst eine Burg, die über einen Hafen herrscht, in dem er seine schmutzigen Geschäfte abwickeln kann. Haben wir nicht ohnehin bereits ...«
»Genau!« Hervé de Sainte Croix, der den Geheimdienst seines Herrn organisierte, nickte zufrieden. »Die Botschaft, dass er auftaucht, kann uns jeden Moment erreichen. Lasst die Vorbereitungen weiterlaufen!«
»Aber wäre es nicht ratsam, unseren Spion zu warnen?«, wandte der Herzog ein.
»Er weiß ohnehin, worauf er zu achten hat. Er ist ein kluger, kaltblütiger Mann, der nichts zu verlieren hat. Ein Bote, der bei ihm auftaucht, würde höchstens Verdacht erregen und ihm nur bestätigen, was er selbst bereits vermutet. Lassen wir den Dingen ihren Lauf ...«
»Und was ist mit der letzten Novizin? Habt Ihr endlich eine Spur des Mädchens entdecken können?«
»Nein, Euer Gnaden«, die Miene des Grafen wandelte sich zu düsterer Strenge. »Wie die Dinge stehen, müssen wir wohl davon ausgehen, dass Ysobel de Locronan zu den unschuldigen Opfern Paskal Cocherels gehört. Wir werden wohl nie Genaueres über ihr Schicksal erfahren.«
»Das heißt, das Kreuz von Ys bleibt für immer verschollen?«
»Ihr habt immerhin vier der fünf Sterne von Armor in Eurem Besitz, Sire!« erinnerte ihn der Graf.
»Fabelhafte Juwelen«, räumte der Herzog ein. »Aber nur gemeinsam mit dem Kreuz und dem Diamanten bilden sie das Symbol des Friedens, an das alle Bretonen glauben! Ich hatte so sehr gehofft, dass das Glück noch ein letztes Mal auf meiner Seite ist.«
»Die Wahrscheinlichkeit spricht dagegen«, entgegnete Hervé de Sainte Croix bekümmert. »Sainte Anne wurde im vergangenen September überfallen, nun steht der Frühling vor der Tür, und es gibt immer noch keine Spur von ihr.«
Er brauchte den Satz nicht zu vollenden. Beide Männer wussten, was einem einsamen Mädchen in einem vom Krieg zerstörten Land passieren konnte, das von Hunger und Schrecken regiert wurde.
»Ich werde veranlassen, dass man Messen für die Jungfer lesen lässt«, seufzte der Herzog und bekundete damit, dass er realistisch genug war, nicht länger einem unerfüllbaren Traume nachzuhängen.
»Du lieber Himmel, was tust du da?«
Gratien de Locronan starrte in einer Mischung aus Widerwillen und Verblüffung auf seine Schwester. Ysobel schleppte zwei schwere Holzeimer und stellte sie sorgsam ab, ehe sie sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn wischte.
»Was seht Ihr, verehrter Seigneur?« zischte sie und bemühte sich, ihren Zorn über seine alberne Frage im Zaum zu halten. »Eine Edeldame beim munteren Zeitvertreib? Eure Gemahlin hat angeordnet, dass ich die Überreste des Bades, welches sie in ihrer Kemenate genommen hat, beseitige. Wollt Ihr mir vielleicht die Eimer tragen?«
»Also, wirklich!« Gratiens Stirn rötete sich unwillig. »Ich denke, der Steinmetz hat einen Abfluss gelegt, damit das gebrauchte Wasser direkt in den Burggraben rinnt, und außerdem ... wie siehst du überhaupt aus? Man könnte meinen, du seiest eben damit fertig geworden, den Schweinekoben auszumisten. Kannst du nicht ein wenig mehr auf dich achten? Man kann es mit der frommen Bescheidenheit auch übertreiben! Dieses Gewand ist ...« Ihm fehlten die Worte und er brach ab.
Gratiens Annahme, dass sie aus purer Genügsamkeit in diesen groben Gewändern herumlief, entlockte Ysobel nicht einmal ein Lächeln. Kühl und stolz stand sie vor ihm. Sie sah keinen Grund, sich für ihr Aussehen zu schämen.
Seit sie bei Tagesanbruch aus ihrer Kammer getreten war, verfolgten Dame Volbertes
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