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Ysobel – Das Herz aus Diamant

Ysobel – Das Herz aus Diamant

Titel: Ysobel – Das Herz aus Diamant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Cordonnier
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Locronan hätte unverzüglich nach St. Cado berichtet werden sollen!«
    Thilda warf ihm einen geringschätzigen Blick zu. Hatte er tatsächlich gedacht, sie gehorche auf ein Fingerschnipsen von ihm? »Ihr habt vergessen, einen Grund dafür mitzuteilen«, sagte sie knapp.
    »Einen Grund?« Paskal Cocherel dehnte die zwei Worte, als müsse er erst über ihre genaue Bedeutung nachdenken. »Was zum Teufel gehen Euch meine Gründe an?«
    Einer der Männer, die das Gemach durchsuchten, hatte das angelaufene Silberkästchen gefunden und klappte es auf, dann kippte er den Inhalt auf das Bett. Der halb zerbrochene Kamm, die mürben Bänder und ein bescheidener Rosenkranz fielen auf den Strohsack.
    »Das ist nicht alles!«, knurrte der Herzog wütend, weil sich der Gegenstand, auf den er hoffte, nicht darunter befand. »Das kann nicht alles sein! Sucht weiter!«
    »Das ist alles«, widersprach Dame Thilda. »Denkt Ihr, ich hätte ihr erlaubt, Schätze zu sammeln? Sie hatte hier nichts zu suchen. Sie hätte in ihrem Kloster bleiben sollen. Niemand wollte sie haben. Ein Gespenst, schmutzig, aufsässig und dennoch schön wie eine Sünde!«
    »Das werft Ihr dem Mädchen am meisten vor, nicht wahr?«, brummte Cocherel und betrachtete Dame Thilda wie ein lästiges Insekt. »Dass sie schön ist. Dass sie Euch in Eurer vertrockneten, unfruchtbaren Hässlichkeit spottet, weil sie auch in Lumpen das bleibt, was sie ist: eine Strafe des Himmels für Eure schwarze Seele!«
    »Ihr wagt es!« Dame Thilda schnappte nach Luft und vergaß, in welcher Lage sie sich befand. Dass ausgerechnet dieser widerliche Söldner sie verspottete, nahm ihr alle Zurückhaltung und Vorsicht.
    »Habt Ihr vergessen, mit wem Ihr sprecht? Wer seid Ihr denn schon, ein dahergelaufener Abenteurer, der sich anmaßt, den großen Fürsten zu spielen? Ein Schurke, der sich mit Blut und Gewalt zu einem Edelmann machen möchte! Aber es wird Euch nicht gelingen! Der Himmel wird es zu verhindern wissen, das schwöre ich Euch!«
    Als sie schwieg, senkte sich unheilvolle Stille über die ehemalige Kammer der Näherinnen von Locronan. Hauptmann Gordien und die beiden Galgenvögel, die den Herzog begleiteten, betrachteten die Edelfrau mit geradezu ehrfürchtigem Interesse. Dass sie es wagte, ihm diese Worte an den Kopf zu werfen, war mehr als tollkühn. Es kam einem qualvollen Selbstmord gleich.
    Paskal Cocherel verzog keine Miene. Die eckige, gedrungene Gestalt mit dem mächtigen, grauhaarigen Schädel regte sich nicht. Aber die Art, wie er die Oberlippe über den gelblichen Zähnen hochzog, ließ die Luft in der Kammer auf Frosttemperaturen sinken.
    »Wie angenehm zu wissen, was Ihr von mir denkt«, sagte er mit trügerisch sanfter Stimme.
    Thildas Wut wich der Angst. Sie schluckte und versuchte seinem Blick standzuhalten, aber es gelang ihr nicht. Ein Schauer lief ihr über den Rücken, und mit fahriger Hand strich sie sich das Gewand über den Hüften glatt. Wo immer Ysobel sich befand, in diesem Moment hätte sie liebend gerne mit ihr getauscht.
    »Vielleicht ...«, begann sie, hüstelte und versuchte es von neuem. »Vielleicht hat sie sich in die Kapelle geflüchtet. Betschwester, die sie ist, versucht sie vermutlich den Beistand des Himmels zu erflehen oder der heiligen Anna, die sie so gerne anruft ...«
    Ihre Worte versickerten wie Wasser auf einem Moosfleck, und es erschien ihr, als sei eine unendlich lange Zeit vergangen, ehe der Herzog einen Befehl bellte und Gordien sie wieder vorwärts stieß. Nicht mehr so brutal wie zuvor, wie es ihr vorkommen wollte.
    Die Außentür zur Kapelle war seit dem Tod des alten Priesters verschlossen, aber die Söldner machten sich nicht erst die Mühe, nach dem Schlüssel zu suchen. Sie sprengten das Schloss mit ihren Schwertern und stießen die Flügel krachend auf. Der Luftzug brachte den Staub im Dämmerlicht zum Tanzen. Das kahle Gotteshaus, aus dem alles entfernt worden war, was nicht aus Stein oder Holz gefertigt worden war, umfing die Schurken mit seiner ungewöhnlichen Ausstrahlung vergangener Frömmigkeit und schlichter Feierlichkeit.
    »Wie soll hier jemand sein?«, schnauzte Cocherel. Er war nicht unempfänglich für die Atmosphäre, aber er weigerte sich, darüber nachzudenken. Er verabscheute Kirchen ohnehin. »Kann das Frauenzimmer durch Wände und verschlossene Türen gehen?«
    Dame Thilda drückte die Schultern durch und versuchte, ihre Furcht zu beherrschen. »Es gibt eine Galerie für die Familie des Seigneurs. Dort

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