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Ysobel – Das Herz aus Diamant

Ysobel – Das Herz aus Diamant

Titel: Ysobel – Das Herz aus Diamant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Cordonnier
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Tagelöhner versteckten sich in ihren Häusern und Hütten. Die wenigen, die es gewagt hatten, Widerstand zu leisten, waren erbarmungslos abgeschlachtet worden. Bisher hatten die Plünderer indes nur die Steinhäuser heimgesucht, und niemand hatte Brandfackeln auf die Strohdächer geworfen. Paskal Cocherel hatte seine eigenen Pläne mit der Bucht, das war unschwer zu erkennen, aber niemand wagte zu fragen, welche dies waren.
    Jos hoffte inständig, dass es wenigstens seinem Boten gelingen würde, die Nachricht zu überbringen, die er ihm in aller Hast eingetrichtert hatte. Der jüngste Sohn der Witwe Kennec war ein gewieftes, schmales Bürschchen von zwölf Jahren, aber vermutlich verloren, sollte er einem der Söldner in die Arme laufen. Er hätte selbst gehen sollen, das wusste Jos nur zu gut. Aber er hatte es nicht fertig gebracht, Ysobel allein zu lassen. Die Gefahr, dass sie eine Dummheit beging, war zu groß, und das Mädchen mitzunehmen unmöglich. Er kannte sie gut genug, um zu wissen, dass sie nicht wanken und weichen würde, ehe sie nicht mindestens versucht hatte, den Menschen von Locronan zu helfen.
    Sein Seufzer erregte Ysobels Neugier. Jetzt wandte sie sich doch um. »Worüber sorgt Ihr Euch?«
    »Nicht der Rede wert.« Jos winkte ab und reichte ihr den Weinschlauch. »Trink und iss eines von den Broten. Du hast seit gestern nichts zu dir genommen, und uns ist nicht damit gedient, wenn du vor Hunger und Schwäche zusammenbrichst!«
    »Ich bin auch das Hungern gewöhnt«, erwiderte Ysobel. »Vermutlich mehr, als Ihr glauben würdet ...«
    »Kannst du nicht wenigstens ein einziges Mal das tun, was man dir sagt?«, seufzte der junge Mann. »Kein eingeschworener Feind könnte mir mehr Schwierigkeiten bereiten als du.«
    »Warum denkt Ihr das von mir?« Mit großen Augen sah ihn Ysobel an. »Ich würde alles für Euch tun, was in meiner Macht steht!«
    Es kam einem Liebesgeständnis so nahe, wie es ihr stolzer Geist erlaubte. Freilich begriff Jos de Comper ausgerechnet in diesem Moment nicht, was sie damit sagen wollte, sondern er hörte nur den vermeintlichen Widerspruch heraus.
    »Dann iss, damit ich mir nicht Sorgen darüber machen muss, ob du unter der Last der Aufgaben, die du dir zumutest, zusammenbrichst!«, befahl er. »Du kannst nichts an den Dingen ändern, wenn du dich kasteist.«
    Ysobel griff so übertrieben gehorsam nach dem Weinschlauch, dass er lachen musste. Sie war so vieles auf einmal. Kleines Mädchen, erwachsene Frau, bescheidene Dienerin und verschmitzter Kobold, mutige Kriegerin, sanfte Liebende und leidenschaftliche Flamme. Sie an seiner Seite zu haben, bedeutete, ein ganzes Schock der unterschiedlichsten Frauen zu besitzen. Und doch alle in einer. Alle mit jenen goldschimmernden Augen, den wilden Kupferlocken und den geschmeidigen Bewegungen.
    »Weshalb seht Ihr mich so an?«, fragte sie verwirrt. »Ist es wieder nicht richtig, was ich tue?«
    Ihre Angewohnheit, jeden Fehler erst einmal bei sich zu suchen, hatte er in seiner Aufzählung vergessen. Vielleicht, weil ihn diese Eigenschaft am meisten ärgerte. Sie brauchte nicht an sich zu zweifeln, sie hätte der Welt mit erhobenem Haupt gegenübertreten sollen. In Samt und Seide gehüllt, stolz und voller sinnlicher Lebensfreude, so wie er sie an jenem Nachmittag am Strand gesehen hatte, als sie sich unbeobachtet glaubte und ganz sie selbst war.
    »Ich sehe dich an, weil mir gefällt, was ich erblicke«, erwiderte er schlicht. »Du bist schön, und ich stelle mir vor, wie du aussehen wirst, wenn du die Kleider einer Edeldame trägst und dich nicht länger für deine Herkunft schämst. Du kannst es mit jeder Herzogin aufnehmen!«
    »Ich schäme mich doch gar nicht ...«, wandte sie ein.
    »O doch, das tust du! Und ich frage mich, warum? Man hat dich nicht gefragt, ob du das Leben führen willst, das dir aufgezwungen wurde. Du bist in den Krieg und seine Folgen verwickelt worden, dein Seigneur hat seinem Namen Schande gemacht, aber das alles ist nicht deine Schuld! Wessen klagst du dich an?«
    Zögernd ließ sie das Brot sinken und hob die Lider zu seinem Blick. »Der Feigheit, der Schwäche, der Unfähigkeit, der Angst, der Untätigkeit, der Schande«, zählte sie auf. »Bei Gott, ich wünschte so sehr, ich wäre ein Mann und könnte ein Schwert führen! Eine Frau ist so ausschließlich zum Gehorsam und zur Sanftmut verdammt!«
    »Ich danke dem Himmel dafür, dass du kein Mann bist!«, erwiderte Jos und bekämpfte den inzwischen

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