Ysobel – Das Herz aus Diamant
Martinitag im vergangenen Herbst. Erst tat sie im Haus Dienst, aber die Herrin war nicht zufrieden, und so kam sie in die Küche. Ich weiß nicht, was Ihr von ihr wollt. Sie ist ein gutes Mädchen, bitte nehmt Euch ihrer an! Sie hat es nicht verdient, den Söldnern in die Hände zu fallen!«
»Ich habe es dir längst versprochen!«, brummte Jos und warf Raoul einen Blick zu, der ihn zum Schweigen bringen sollte. »Nun geh zu den anderen, damit man euch auf irgendeinem Wagen Platz schafft. Wir sehen uns, wenn wir die Burg erobert haben!«
Jeanne gehorchte, aber die Zweifel in ihrem Gesicht waren unübersehbar. Die beiden Männer hatten seltsame Dinge beredet. Sogar sie hatte die Sagen um das Kreuz von Ys vernommen. Aber das Kreuz war doch verschwunden! Und wieso sollte Ysobel etwas damit zu tun haben? Und konnte es tatsächlich wahr sein, dass Ysobel die Schwester des toten Seigneur war?
»Sie glaubt uns ebenso wenig wie die abenteuerliche Kammerfrau deiner schönen Jorina«, murmelte Jos und erinnerte sich an Maé, die ehemalige Geliebte des Herzogs von St. Cado, die nun im Hause der Nadiers ehrbar und tyrannisch geworden war.
»Gütiger Himmel, wir müssen überlegen, wie wir Montfort diese Nachricht beibringen«, ächzte Raoul. »Wenn er erfährt, dass du Ysobel de Locronan gefunden hast und sie dir entwischt ist ... Er hat das ganze Land nach ihr durchsuchen lassen, und am Ende waren wir alle davon überzeugt, dass sie bei ihrer Flucht in den letzten Wirren der Schlacht von Auray das Leben verloren hat.«
»Unsinn!« Jos wollte es immer noch nicht glauben. Wenn Raoul tatsächlich recht haben sollte, kam das einer Katastrophe gleich. »Es könnte doch wirklich eine zufällige Gleichheit der Namen sein ...«
»Ysobel?« Sein Freund lachte halb spöttisch, halb mitleidig. »So heißt eine Edeldame, aber keine Magd. Jeder Priester würde es als Anmaßung betrachten, wollte ein einfaches Paar sein Kind auf diesen Namen taufen lassen. Du bist auf dem Holzweg, mein Freund! Das ist der letzte Stem von Armor, an dem du dir da Herz und Finger so nachdrücklich verbrannt hast!«
Jos stürmte aufgewühlt hinaus in die Nacht und den Regen. Sein Herz wusste längst, das Raoul de Nadier mit seinen Vermutungen recht hatte.
»Rede!«
Ysobel fuhr hoch und blinzelte in die unerwartete Helligkeit. Orientierungslos starrte sie auf die prächtigen Wandbehänge, die samtigweiche Pelzdecke, die den Abdruck ihres liegenden Körpers trug. Sie war so unendlich müde gewesen, dass sie sich auf den Alkoven gelegt hatte, danach wusste sie nichts mehr. War die Stimme Teil eines Albtraumes oder Wirklichkeit?
Sie strich sich die Haare aus der Stirn und sah, dass Paskal Cocherel am Fußende des Bettes vor ihr aufragte. Sein rotes Gesicht, die gesträubten grauen Brauen und der flammende Zorn in den gelben Raubvogelaugen sagten alles über seinen Gemütszustand. Unwillkürlich zog sie die Füße unter die Röcke und presste sich gegen das mächtige, geschnitzte Kopfende des Bettes.
»Rede!«, wiederholte er. »Wo ist dieser erbärmliche Haufen von Männern und Weibern, die in den Weinkellern eingesperrt waren?«
Ysobel konnte nicht einmal in diesem Moment lügen. Sie räusperte sich. »Sie sind in Sicherheit!« Zumindest hoffte sie das.
»Ha!«
Der Ausruf glich einem Peitschenknall, und die junge Frau erschauerte. Die Wärme und Entspannung des kurzen Schlummers verflüchtigten sich unter dem mörderischen Blick des Söldnerführers. Nichts konnte sie vor dem Hass und der Wut dieses Mannes retten. Doch die Erkenntnis dieser Tatsache verlieh ihr gleichzeitig auch wieder Kraft. Sie sah dem Tod ins Auge. Lieber Gott, sie hatte nicht im Geringsten etwas dagegen zu sterben!
»Wie hast du das angestellt?«, erkundigte er sich schließlich gefährlich ruhig. »Kannst du zaubern? Hast du dem Pack Flügel gegeben, damit es über die Burgmauern entkommen konnte, oder machst du die Wände durchlässig?«
Ein verächtliches Lächeln kräuselte Ysobels Mundwinkel, und mit wohl bedachter Unverschämtheit reckte sie das Kinn noch etwas höher. Das Wissen um seinen Aberglauben ließ sie die richtige Antwort finden. »Die Geheimnisse von Locronan gehören nur jenen, die dafür geboren sind! Ihr werdet sie nie erforschen können.«
»Es gibt Mittel und Wege, ein jedes Geheimnis zu erfahren«, entgegnete er brüsk. »Sogar deine störrische alte Äbtissin hat am Ende geredet!«
Ysobel hatte geahnt, dass Mutter Elissa tot sein musste, aber über die
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