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Ysobel – Das Herz aus Diamant

Ysobel – Das Herz aus Diamant

Titel: Ysobel – Das Herz aus Diamant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Cordonnier
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Umstände ihres Todes hatte sie wohlweislich nicht genauer nachgedacht. Was hätte es genutzt, die Schrecken ihres Endes und das der anderen Mitschwestern heraufzubeschwören?
    »Sie war eine alte Frau!«, entgegnete sie. »Es ist keine Kunst, einen Menschen zu Tode zu quälen. Wenn Ihr auch noch stolz darauf seid, dann zeigt das nur, dass Ihr ein brutaler Klotz seid, der keinerlei christliche Regung in seinem Herzen trägt.«
    »Auch deine Zunge wird sich lösen!«
    »Und was werdet Ihr erfahren?« Ysobel erschrak selbst vor dem fremden, spöttischen Lachen, das aus ihrer Kehle kam. »Dass ich das Meine getan habe, damit die Menschen von Locronan nicht noch weiter unter Euch leiden. Dass sie längst fort sind und Ihr sie nicht mehr erreichen könnt. Dass ich glücklich darüber bin und keine Angst vor dem Tod habe! War da noch etwas, was Ihr wissen wolltet? Fragt nur, ich werde Euch antworten.«
    Die trotzig stolze Antwort machte die bedrohliche Haltung des Söldnerführers zur Farce. Die Hand mit der Peitsche sank nach unten. Ysobel konnte nicht ahnen, dass schon vier andere junge Frauen vor ihr die Selbstsicherheit dieses Mannes gründlich erschüttert hatten. An Siege gewöhnt, an absoluten Gehorsam und die murrende Ergebenheit seines gewalttätigen Heeres waren es nach der Schlacht von Auray im vergangenen Herbst nur Frauen gewesen, die ihm die schlimmsten Niederlagen zugefügt hatten: die Novizinnen von Auray.
    Und jene hier, die ihn aus funkelnden goldenen Augen furchtlos ansah, kam ihm wie die Schlimmste von allen vor. Die Jahre, die sie ihren Gefährtinnen voraushatte, schienen sie mit einer unsichtbaren Rüstung zu umgeben. Sie war keine schüchterne Jungfer, kein ängstliches Mädchen und schon gar keine scheue Demoiselle, die bei Gefahr über sich selbst hinauswuchs. Bei ihr traf er auf eine Härte, die es mit jedem eisernen Harnisch aufnehmen konnte.
    »Ich werde dich lehren, mir Trotz zu bieten!«, knirschte er und setzte eher der Form halber einen gezielten Peitschenschlag hinter seine Worte. Die lederne Schnur wand sich mit teuflischer Präzision um Ysobels Knöchel und entlockte ihr einen Aufschrei. Feurige Pein schoss ihr Bein hinauf und ließ ihr den Schweiß auf die Stirn treten. Sie zitterte am ganzen Leib, und sie hasste sich dafür, dass sie den Schmerz so heftig fühlte.
    Paskal Cocherel entdeckte es mit Befriedigung. Die menschliche Regung der Qual machte sie in seinen Augen erfreulich normal. Mit Schmerz und Angst konnte er etwas anfangen. Beide waren treffliche Verbündete, wenn es darum ging, einen Menschen zu brechen, speziell, wenn es sich um eine Frau handelte. Er tat einen tiefen Atemzug, und Ysobel schloss bebend die Augen.
    Sie versuchte sich an ein Gebet zu erinnern, sich in jene fromme Abgeschiedenheit zu versenken, die in Sainte Anne gelehrt worden war, aber sie entdeckte, dass es ihr plötzlich nicht mehr möglich war. Sie hatte zu viel gelebt, erlebt und erlitten, um noch mit der frommen Naivität der ahnungslosen Novizin ihr Geschick gehorsam in die Hände des Himmels zu legen.
    »Bringt sie nach unten, in die Folterkammer!«, vernahm sie den Befehl des Herzogs, und ehe sie eine Bewegung tun konnte, polterten zwei bis an die Zähne bewaffnete Kerle in den Raum und schleppten sie davon. Wärme und Licht blieben zurück. Die Zeit des Atemholens war vorbei.
    Das gedrungene, uralte Gewölbe der Folterkammer von Locronan zeichnete sich durch feuchte Wände, eine zahlreiche Rattenfamilie und die Tatsache aus, dass die meisten der schrecklichen Geräte, die dort lagerten, schon von Ysobels Vater nicht mehr gebraucht worden waren. Auf der Feuerstelle loderten rauchende Flammen, knisternde Pechfackeln steckten in den Wandhaltern.
    Hauptmann Gordien wandte sich mit dem Stolz eines Mannes zu ihnen um, der in kürzester Zeit Unmögliches vollbracht hat.
    »Die Streckbank ist noch verwendbar!«, verkündete er zufrieden und deutete auf das grobe, längliche Gestell mit den bedrohlichen Walzen an Kopf- und Fußende.
    Ysobel schluckte. Sie konnte sich nicht daran erinnern, dass ihr Vater jemals eine hochnotpeinliche Befragung befohlen hätte. Das arme Opfer, dem unter dem Zug der Walzen langsam Arme und Beine ausgerissen wurden, gestand vermutlich alles, nur um der unmenschlichen Qual zu entgehen. Hatte sie ihren Mut überschätzt? Sie grub die Zähne in die Unterlippe und klammerte sich an die spärlichen Reste ihrer Selbstbeherrschung. Als Gordien zusätzlich eine Reihe von Eisenstangen in

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