Yvonne Lindsay
er schon mit Kimberley Perrini gesprochen hatte? Wirkte er deshalb so nervös? Wie gern hätte sie ihn gefragt. Aber sie hatte Angst, dann wieder zurechtgewiesen zu werden. Hatte er sie nicht gewarnt, auf keinen Fall ihre Kompetenzen zu überschreiten? Er war der Boss, und sie war die Angestellte und hatte sich lediglich um Blake zu kümmern.
Da das Essen noch ein paar Minuten brauchte, nahm sie schnell ihre Handtasche vom Tisch und die Jacke von der Stuhllehne und stieg die Treppe hinauf. Überrascht stellte sie fest, dass Matt offenbar in einem der anderen Gästezimmer war, zumindest hörte sie Geräusche. Vorsichtig öffnete sie die Tür und steckte den Kopf hindurch. Matt stand vor dem Kleiderschrank, nahm verschiedene Sachen heraus, betrachtete sie kurz und warf sie dann aufs Bett.
„Was ist?“, fragte sie. „Suchst du etwas? Kann ich dir helfen?“
„Ich brauche ein paar Haare von Marise, um sie nach Sydney ins Labor zu schicken.“
„Dann hast du also mit Kim gesprochen?“
„Ja.“
„Und? Wie lief es?“
„Sie sind einverstanden, den DNA-Vergleich vornehmen zu lassen.“
Warum aber wirkte er dann trotzdem so angespannt? Und wieso suchte er hier und nicht in dem gemeinsamen Schlafzimmer? Plötzlich fiel Rachel auf, dass zumindest hier in dem Schrank nur Frauenkleidung hing. Hatten sie getrennte Schlafzimmer gehabt? Ihre Mutter hatte zwar mal angedeutet, dass es wohl gewisse Probleme gab, sie zumindest eine Kälte und Distanziertheit zwischen Marise und Matt bemerkt hätte, die sie sich bei jungen Eheleuten nicht erklären konnte.
Aber Rachel hatte nicht weiter darüber nachgedacht. Zu der Zeit lebte sie in London, und nachdem sie von Matts Heirat gehört hatte, hatte sie sich verboten, sich über ihn noch weiter Gedanken zu machen. Stattdessen hatte sie ihre Gefühle für ihn tief in sich verschlossen.
Irgendetwas verschwieg er ihr, da war sie ganz sicher. „Sie haben zugestimmt? Einfach so? Das muss dich doch sehr erleichtert haben.“
„So einfach war es dann auch wieder nicht.“ Matt ließ von seiner Suche ab und setzte sich auf die Bettkante. „Sie haben bestimmte Bedingungen damit verknüpft.“
„Bedingungen?“
„Ja, und das sollte mich eigentlich nicht überraschen. Sie wollen, dass ich meinen Plan aufgebe, die Firma zu übernehmen. Wenn ich das nicht tue, geben sie mir das Testergebnis nicht schriftlich. Das heißt, ich kann es nicht veröffentlichen.“
„Was wirst du tun?“ Rachel fing an, die Sachen wieder in den Schrank zu hängen.
„Das weiß ich noch nicht. Erst einmal muss ich irgendetwas von Marise finden, was für die DNA-Analyse taugt.“
„Was denn zum Beispiel?“
„Kim meinte, eine Zahnbürste oder ein Kamm würden genügen, Speichel oder Haare, aber alles ist anscheinend geputzt und aufgeräumt beziehungsweise weggeworfen worden. Ich kann noch nicht einmal ein Taschentuch mit Lippenstiftspuren finden.“
„Hast du schon in ihrem Wagen nachgesehen? Ich könnte mir vorstellen, dass sie einen Kamm oder eine Haarbürste in ihrem Handschuhfach hatte. Ihr war es doch immer sehr wichtig, gepflegt auszusehen.“
„Stimmt. Ich sehe gleich mal nach. Aber lass die Sachen ruhig liegen.“ Er stand auf und trat vor den Schrank. „Es wird sowieso Zeit, dass das alles mal wegkommt.“
„Soll ich mich darum kümmern?“
Zögernd strich er über ein Abendkleid aus goldfarbener Seide, und Rachel erinnerte sich an ein Foto in den Gesellschaftsnachrichten, auf dem Marise dieses Kleid getragen hatte. Das musste in der ersten Zeit ihrer Ehe gewesen sein.
Doch dann zog Matt seine Hand so abrupt zurück, als habe er sich verbrannt. „Ja, sieh zu, dass alles wegkommt. Mir ist egal, wohin. Ich will die Sachen nicht mehr sehen.“
Mit schnellen Schritten verließ er den Raum, und Rachel hörte, wie er die Treppe hinunterlief. Leise seufzend sah sie sich in dem Zimmer um. Seltsam, dass die Ehe so schnell auseinandergegangen war. Als ihre Mutter ihr von der Hochzeit erzählte, hatte Rachel sich einzureden versucht, dass sie glücklich für Matt sei, weil er endlich die Liebe seines Lebens gefunden hatte. Auch wenn sie nicht Rachel Kincaid hieß.
Bis zu dem Anruf der Mutter hatte sie tief in ihrem Herzen immer noch die Hoffnung bewahrt, dass er eines Tages zu ihr zurückkommen würde. Solange sie denken konnte, hatte sie ihn geliebt. Als Kind hatte sie ihn angebetet, als Teenager dann war daraus schwärmerische Liebe geworden. Sie hatte sogar den Mut gehabt, ihn zu
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