Zaduks Schädel
und spürte, daß sich im Nacken Schweißperlen bildeten. Diese Aussichten gefielen mir nicht gerade. Wenn er das schaffte, mußte er eine gewaltige Größe besitzen, denn normal gewachsene Menschen sind nicht eben klein.
»Das war nicht gut, Eiserner.«
»Ich weiß. Ein Schock in der Nacht. Ich dachte mir, daß ich dich früh genug warne. Du mußt auch Suko Bescheid geben. Er war schließlich auch damals mit auf der Insel.«
Ich erinnerte mich noch gut. Der Eiserne hatte mir sogar das Schwert mit der goldenen Klinge mitgebracht, das Kara gehörte. Mit dieser Waffe hatte ich gegen die verräterischen Vogelmenschen gekämpft. Damit hatte ich auch die Pyramide des Architekten Glarion-Merete zerstört, in der sich das Bild eines Totenschädels zeigte.
Ich hatte noch niemals einen so häßlichen Schädel gesehen. Je länger ich darüber nachdachte, um so klarer wurde die Erinnerung. Der Schädel war von einer bleichblauen Farbe gewesen mit leeren Augenhöhlen und einem ebenfalls leeren Maul. An die widerliche Zunge erinnerte ich mich auch und auch an das Innere des Mauls, das rötlich wie ein normaler Gaumen schimmerte.
»Du willst doch sicherlich etwas unternehmen?« fragte ich ihn. »Sonst wärst du nicht gekommen.«
»Das stimmt. Ich habe Myxin und Kara bewußt zurückgelassen. Sie sollen die Steine beobachten und mir Bescheid geben, falls sich etwas tut. Ich möchte dich bitten, mich noch einmal auf die kleine Insel in der Cardigan Bay zu begleiten, wo wir den Terror der Vogelmenschen erlebt haben. Bist du einverstanden?«
»Sofort?«
»Das dachte ich mir«, gab er etwas verlegen zu.
Ich grinste. Zu versäumen hatte ich nichts. »Aber nur weil du es bist«, gab ich meine Zustimmung. »Mal im Ernst, glaubst du daran, daß ersieh auf der Insel gezeigt hat?«
Der Eiserne hob die Schultern, was bei ihm sehr eckig aussah. »Es ist möglich, nur mehr eine Hoffnung. Etwas anderes kann ich dazu nicht sagen.«
»Welchen Grund sollte er haben, sich gerade dieses gottverlassene Eiland auszusuchen. Oder gehst du nur davon aus, daß er hinkommt, weil damals die verräterischen Vogelmenschen es besetzt hielten und die Bewohner terrorisierten?«
»Genau.«
»Wir werden sehen.« Ich dachte an das Paar, das wir auf der Insel kennengelernt hatten. Iris hatte das Mädchen geheißen, Monty Heller der Mann. Ihn hatten wir aus dem verfluchten Kreislauf der Vogelmagie erlösen können.
Wieder entstand das Bild vor meinen Augen, als die Pyramide zu einem Spiegel zusammengeschmolzen war.
Ja, ich erinnerte mich an den Kopf, an das Maul mit den beiden harten Zähnen.
Wie bei einem Vampir. Und gegen Vampire war ich in der letzten Zeit sehr allergisch, weil ich wußte, daß sich Will Mallmann als Dracula II ansah und das Erbe des echten Blutgrafen als noch schlimmere Zeit übernehmen wollte.
Ich sprach den Eisernen auf die Zähne an und unterstrich meine Vermutung, daß es sich bei Zaduk um einen alten Vampir handeln konnte. »Vampir und Vogelmensch«, sagte ich.
»Da bin ich überfragt«, erwiderte der Eiserne. »Ich habe auch nicht viel mit ihm zu tun gehabt. Er hielt sich zurück, agierte im Verborgenen.«
»Gut, wir werden sehen.« Ich deutete auf das offene Fenster. »Soll ich auf die Bank klettern?«
»Nicht nötig. Du brauchst es auch nicht zu schließen, wir sind bald wieder da.«
Der Eiserne kam auf mich zu und umfaßte meine Taille. Ich wurde hochgehoben, glitt mit ihm zusammen auf das offene Fenster zu, dann tauchten wir blitzschnell ein in die Nacht.
Himmel, Gestirne, der volle Mond, die Lichter der Millionenstadt, diese Dinge drehten sich vor meinen Augen und wurden zu einem gewaltigen Kreisel, der mich mitschleifte…
***
Dann war alles anders.
Keine stickige, schwülwarme Luft mehr, die das Atmen erschwerte, sondern ein Wind, der frisch schmeckte und zudem Frische mit sich brachte.
Es roch nach Salz, nach Meer, nach Strand und einer gewissen Weite. Auch der Geruch von frischem Heu drang in meine Nase, so stark, daß ich in dem Augenblick niesen mußte, als mich der Eiserne absetzte. Er hatte mich mit einem Griff von seinem Rücken geholt.
»Wir sind da!« sagte er.
»Ja, das habe ich bereits gesehen.« Oder auch nicht gesehen, denn über der kleinen Insel lag die Dunkelheit wie ein unendlich erscheinendes schwarzes Tuch.
Doch auch hier grüßte mich das Licht der Sterne, die einen Mond umstanden, der wie ein bleiches Glotzauge auf uns niederschaute. Eine klare Luft lud zum tiefen Atemholen ein, was ich
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