Zaduks Schädel
Zaduk kommen würde. Er hat uns gewarnt.«
»Woher wußte er das?«
Der Sprecher hob die Schultern. »Das kann ich dir nicht genau sagen. Doch du müßtest es wissen. Ist nicht die Pyramide zerbrochen?«
»Das stimmt.«
»Genau an der Stelle«, flüsterte der Mann, »hat unser Anführer das Furchtbare gesehen. Er… er wollte nicht mit uns darüber sprechen, rief uns zum Gebet und wollte versuchen, Zaduk zu stoppen. Sogar den Namen hatte er erfahren.«
»Was unternahm er genau?«
»Wir wissen es nicht. Wir wissen gar nichts. Er ging hin, schaute, dann fanden wir ihn. Tot, in einer seltsam verrenkten Haltung lag er auf dem Boden. In seinen Augen stand der Schrecken, sein Genick war gebrochen. Wir untersuchten seinen Körper und entdeckten unter der Kleidung verfärbte Stellen. Bißflecken oder so etwas Ähnliches. Das alles ist uns bekannt gewesen, mehr nicht.«
Ich nickte einige Male und schaute über die Köpfe der Bewohner hinweg.
»Ich habe jemand mitgebracht, aber es scheint, daß wir zu spät gekommen sind.« Nach diesen Worten winkte ich dem Eisernen, in der Hoffnung, daß er die Bewegung sah.
Ja, er kam.
Das Flüstern der Anwesenden verstärkte sich. Man erinnerte sich ebenfalls an den Eisernen, denn er war ein Wesen, das man nicht vergessen konnte.
Majestätisch und hochaufgerichtet schritt er durch den Gang und blieb bei mir stehen. In seinem Gesicht bewegte sich nichts, als er den Toten sah.
»Zaduk?« fragte er.
»Ja, er war hier.«
Der Eiserne nickte. »Ich wußte es, ich habe es gewußt, daß er die Insel besucht hat. Hier gab es ein magisches Tor, durch das er in diese Zeit eilen konnte. Er gibt niemals auf, er hat schon damals nicht aufgegeben, und er wird weitermorden«, sagte der Eiserne bitter und schaute den Toten an.
»Was hat er ihm getan?«
»Nichts«, erwiderte ich. »Er hat nur gespürt, daß etwas Böses auf die Insel kommen würde. Dann versuchte er, das Böse zu stoppen, war aber nicht stark genug.«
»Gegen Zaduk kommt keiner an!«
»Auch du nicht?« wurde der Eiserne von dem Einheimischen gefragt.
»Du hast uns gezeigt, wie man die Vogelmenschen ausschaltet…«
»Zaduk ist kein Vogelmensch mehr.«
»Was ist er dann?«
»Ein Relikt, ein Überbleibsel, ein riesiges Gebilde. Zaduk kann nicht in normale Worte gefaßt werden. Er ist ein Monster, ein gieriges Tier, einfach furchtbar.«
Der Mann senkte den Kopf. »Müssen wir damit rechnen, daß er uns vernichtet?«
»Nein!« erklärte der Eiserne entschieden. »Für Sie und die anderen hier ist alles ausgestanden.«
Skepsis prägte den Blick des Inselbewohners. »Ich weiß es nicht, ich kann es nicht glauben. Meine Frau sagte zu mir, als die Leiche gefunden wurde: Matt, jetzt bist du an der Reihe. Jetzt mußt du das Schicksal der Insel in deine Hände nehmen und natürlich auch das der Bewohner. Ich wollte nicht, denn was soll ein Mensch ohne Hoffnung schon sagen können?«
»Es gibt wieder Hoffnung!« widersprach ich. »Wenn der Engel sagt, daß es vorbei ist, dann hat er recht damit.«
Matt reckte sein Kinn vor. »Woher willst du das wissen?«
»Zaduk hat andere Aufgaben. Euch und die Insel hat er nur als Sprungbrett genutzt. Was er will, sind andere Dinge.«
»Aber er kann immer wieder zurückkehren und sich hier verstecken!« zischelte Matt.
»Wo erschien er?«
»Das müßtest du wissen, Eiserner. Die Pyramide zerschmolz, dort entstand etwas, und da muß er auch hergekommen sein. Eine andere Möglichkeit gibt es nicht.«
»Wir sollten hingehen«, schlug ich vor.
Der Eiserne war einverstanden. Matt druckste herum. Es war ihm anzumerken, daß er lieber hier in der Baracke geblieben wäre, doch ich überredete ihn, uns zu begleiten. »Es ist besser, Matt. So kannst du den anderen sagen, daß sie sich vor Zaduk nicht mehr fürchten brauchen. Euer Leben läuft wieder in geregelten Bahnen.«
»Das gibt es nicht. Die Fische werden weniger, die Erinnerungen werden bleiben. Wir müssen noch…«, er winkte ab. »Ja, wir müssen den Toten begraben.« Dann hielt er sich an meiner Seite, denn ich war bereits vorgegangen.
Man sprach uns nicht an. Nur die Blicke verfolgten uns bei dem Gang durch die Mitte des Raumes.
Bevor Matt die Baracke verließ, erklärte er den Zurückgebliebenen, daß er bald wieder da sein würde.
Der Eiserne wartete draußen auf uns. Er hatte den Kopf zurückgelehnt und blickte in den schwarzblauen Nachthimmel, wo der Mond als helles Auge glotzte.
»Suchst du Zaduk?«
Er hob die Schultern.
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