Zaduks Schädel
zu geben. Das Maul hinter ihm klappte auf. Er sah es nicht, er spürte nur den Luftzug, der seinen schweißfeuchten Nacken traf und ihn schaudern ließ. Noch einmal vernahm er die Stimme.
»Feiere dein Fest, denn es ist wichtig…«
»Si, Sir«, flüsterte Cabrini, drehte sich um und verließ fluchtartig das Maul des Schädels.
In die Höhle fiel er hinein, rutschte auf dem feuchten Boden aus, prallte zu Boden und holte tief und keuchend Luft. Vor seinen Augen drehte sich alles. Obwohl er nicht körperlich gefordert war, fühlte er sich ziemlich am Ende.
Auf dem Weg zum Lift zitterten die Beine noch immer. Stromstöße schienen durch die Kniekehlen zu schießen. Erst an der Tür drehte er sich wieder um.
Seine Augen weiteten sich.
Der Schädel war verschwunden. Keine Spur mehr von Zaduk. Er hatte sich einfach aufgelöst.
»Verdammt!« keuchte er. »Verdammt noch mal, ich… ich muß es durchstehen, ich bekomme Macht, viel Macht. Die alte Kraft aus Atlantis, sie wird mich stärken.«
Auf einmal ging es ihm wieder besser. Als er in die Höhe fuhr, füllte sein gellendes Lachen die Kabine und hallte noch von den Wänden wider. Oben angekommen, wischte er die Nässe aus dem Gesicht und sah erst dann Maria in der Nähe stehen, die ihn kopfschüttelnd und gleichzeitig sorgenvoll anblickte.
»Was ist? Was haben Sie?« fragte die Frau.
Er hob die Schultern. »Nichts Besonderes, Maria.«
»Doch, Signore Cabrini. War etwas mit dem Keller? Sie müssen es mir sagen!«
Er hob nur die Schultern. »Nein, was soll schon gewesen sein…?«
Dann ging er schweigend weg und dachte dabei an den Abend, der sein Leben ändern würde…
***
Paris — Metropole an der Seine. Weltstadt, in dem in diesem Jahr sich die Feste und Feiern gegenseitig die Hände reichten, denn man feierte den zweihundertsten Jahrestag der Revolution.
Eine Stadt, die in der Hitze des Sommers kochte, stöhnte, schrie. Manchmal voller Lust, dann wieder gequält, als wäre es ihr unmöglich, all das zu fassen, was auf sie zugekommen war.
Besonders die Ströme von Menschen, die Paris durchwanderten und den Bistros, den Kneipen und Hotels Hochbetrieb bescherten. Alles war im Fluß, alles ging ineinander über. Man lebte und liebte, man weinte und lachte.
C'est la vie!
Auch für Yves Balzac, der tatsächlich mit Hausnamen so hieß und sich nicht den berühmten Namen des Dichters als Pseudonym angehängt hatte.
Balzac liebte Paris, er mochte die Menschen, aber er wählte sehr genau aus.
Ihm waren die Touristen, die Reichen und die Bürgerlichen suspekt. Wo er sich herumtrieb, da lebten diejenigen, über die kein Klatschblatt berichtete, die Menschen aus dem Bauch von Paris, wo es stank, wo die Straßen schmal waren und das Pflaster Lücken zeigte. Wo Haus an Haus stand, oft mit Fassaden, die beschmiert waren, weil man den längst abgeblätterten Putz damit überdecken wollte. Das waren die Ecken, wo sich Balzac herumtrieb, wo man ihn kannte und zu einem Führer gemacht hatte.
Von Beruf war er vieles, doch er nannte sich, wurde er danach gefragt, Menschenfreund und Künstler. Er hatte vieles in seinem fünfzigjährigen Leben gemacht, sich in der Welt herumgetrieben und war immer wieder in den Bauch der Stadt zurückgekehrt, wo er seine Freunde wußte, die an seinen Lippen hingen, wenn er mit den Männern und Frauen im Bistro saß und von seinen Erfahrungen berichtete.
Einmal etwas Tolles zustande bringen. Einmal richtig zuschlagen, es allen zeigen und die Bourgeoisie - die Bürgerlichkeit — ins Wanken bringen. Davon träumten die Menschen im Viertel, die Farbigen, die Schwarzen, die Weißen, die Zigeuner, die Polen, die Flüchtlinge. Balzac hatte sich die Worte genau gemerkt, und als er die Versammlung ins Leben gerufen hatte, stand sein Plan längst fest. Er durfte damit nicht warten, weder Wochen noch Tage, höchstens Stunden, mehr gab er ihnen auf keinen Fall.
Sie trafen sich bei Max. Er war ebenfalls eine Institution im Viertel. Ein ehemaliger Fremdenlegionär, der nicht in die rechte Szene gedriftet war, sondern erlelit hatte, daß Farbige auch Menschen waren und nicht zur zweiten Klasse gehörten.
Bei Max gab es alles, auch mal Kredit, wenn jemand keinen Sou in der Tasche hatte.
Über Paris stand die Sonne wie ein gelber Ball. Sie brannte ihre Strahlen in den Straßenwirrwarr, ließ frischen Asphalt weich werden und dampfen.
Sie war heiß, sie war unbarmherzig, wobei sie dem Wind nicht einmal erlaubte, etwas Kühlung zu bringen.
Es stank
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