Zaduks Schädel
Fest machen, müssen wir hier raus. Weg aus dem Viertel, wo wir beengt sind und überhaupt nicht auffallen. Man wird uns sehen, die Schultern heben und sagen: ›Nun ja, laß sie mal…‹«
»Stimmt!« rief Max. »Du hast recht, Yves, das wäre wirklich nichts und deiner nicht würdig.«
Yves nickte, leckte über seine dünnen Uppen und machte es noch einmal richtig spannend. »Ich habe mir deshalb gedacht, daß wir alle hier…« Er breitete die Arme aus und bewegte sie, weil er sämtliche Gäste veranlassen wollte, das Viertel zu verlassen. Pause!
Keiner reagierte. Die Gäste hatten den Vorschlag gehört, der sie überraschte, denn sie waren zu keiner Antwort fähig.
»Und wohin?« fragte ein zwergwüchsiger Mensch, dereinen flachen Strohhut auf dem Kopf trug.
»Das ist die Sache, mes amis. Es wird euch komisch vorkommen, aber ich habe alles genau durchdacht. Wir werden uns schon am Nachmittag auf den Weg machen und zu unserem Ziel hingehen.«
»Wohin denn?«
Yves lachte breit. »Ich frage euch, was ist das Wahrzeichen dieser verdammten und doch so herrlichen Stadt. Was ist das Wahrzeichen außer uns? Wo finden wir den Mittelpunkt? Wo starren alle Besucher mit Glotzaugen hin? Besonders in diesem Jahr!«
»Auf die Weiber!« schrie der Kleine mit dem Strohhut.
»Ja, das auch. Du kannst ihnen sogar unter den Rock gucken, wenn sie normal gehen.«
Lachsalven erschütterten das Bistro. Einige Kommentare wurden abgegeben und die Situation noch weiter ausgebaut.
»Das meint er bestimmt nicht!« rief Rami.
»Du hast recht, Junge!« Yves sprach weiter, weil man sich wieder beruhigt hatte. »Ich denke an das andere Wahrzeichen dieser Stadt, das alles andere überragt.«
Fast jeder wußte die Antwort. Aus zahlreichen Kehlen gesprochen, klang sie wie ein einziger Schrei. »Der Eiffelturm. Es kann nur der Eiffelturm sein.«
Yves ließ seinen Zigarettenstummel fallen und zertrat die restliche Glut mit dem Absatz. »So ist es, Freunde. Ihr habt es erfaßt. Wir werden uns für unser Fest den Eiffelturm aussuchen.«
Jetzt, wo es offenkundig war, schwiegen die Gäste. Das mußten sie erst einmal verdauen.
Yves ließ ihnen Zeit, trank Wein, zwinkerte dem Mädchen zu und streckte die Beine unter dem runden lisch aus. »Na, habt ihr euch mittlerweile gefangen?«
»Oui, aber wieso? Was willst du da?« rief Max. »Wie sollen wir…«
»Wir fahren hoch!«
»Ach…«
»Ja, auf die Plattform, wo die Gaffer immer stehen. Von dort haben wir den perfekten Ausblick, da werden wir die Feier ansetzen, so daß der Turm anfängt zu wackeln. Ich sage euch, so ein Fest hat Paris in diesem Jahr noch nicht erlebt.«
»Willst du ein Feuerwerk starten, Yves?« schrie jemand.
Der Mann schüttelte den Kopf. »Nein, das habe ich nicht vor, aber es wird trotzdem eine Überraschung geben, denn ich habe einen Gast eingeladen.«
»Wer ist es?«
»Das sage ich nicht.«
»Ist es ein Künstler, ein Politiker…?«
»Nein, keiner von den Volksverdummern.«
Yves winkte mit beiden Händen, und es wurde wieder ruhig. »Ihr werdet von mir keine Antwort bekommen. Ich kann euch nur sagen, daß ihn bisher keiner von euch gesehen hat. Er ist etwas Besonderes, mes amis. Und jetzt laßt uns trinken. Es geht alles auf meine Rechnung.«
Ein Jubelsturm brach los.
Keiner achtete auf das kalte Lächeln in Yves' Gesicht. Er wollte, daß die Gäste angetörnt das Lokal verließen. Dann war er gespannt darauf, wie sie das Erscheinen des Ehrengastes Zaduk aufnehmen würden…
***
Am späten Vormittag hatten wir uns endlich durch den Verkehr und die Hitze gequält, um das Yard Building zu erreichen. Im Büro empfand ich es direkt als angenehm, wenn ich es mit den Außentemperaturen verglich. Der Meinung war auch Suko. Uns ärgerte nur, daß wir in dem Fall keinen Schritt weitergekommen waren. Zaduks Schädel lastete wie ein Fluch über unseren Köpfen. Glenda, die betont lange auf ihre bunte Armbanduhr schaute, schüttelte den Kopf. »Auch schon da?«
»Wie du siehst.«
Sie schaute uns an. »Besonders du, John, siehst aus, als hättest du die Nacht durchgemacht.«
»Vielleicht.«
»Wie hieß die Frau?«
»Es war ein Engel.«
»O wie schön.«
»Sogar aus Eisen.«
Jetzt begriff sie. »Der Eiserne Engel hat dich besucht? Was war denn los?«
»Das wissen wir selbst nicht so genau. Es wird sich noch alles herausstellen.« Ich deutete auf das Telefon. »Ist Sir James im Hause oder sitzt er irgendwo in der Sonne?«
»Wenn er sich schon draußen
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