Zaduks Schädel
Wer immer sie getötet hatte, er war so grausam gewesen, daß man es mit Worten kaum beschreiben konnte. Aschfahl wie der Staub drehte sich der König um und starrte seinem Hauptmann ins Gesicht. »Kann ich von dir verlangen, daß du mir etwas erklärst?«
»Nein, Herr, das kann ich nicht.«
David schritt die Front seiner Soldaten ab. »Das Grauen ist über unsere Freunde gekommen«, sprach er. »Wir werden uns aufteilen und es suchen. Wir müssen die anderen finden.«
Niemand widersprach, und so machten sie sich mit starren Gesichtern an die schlimmste Arbeit.
Sie fanden die beiden anderen Leichen an den Felsen. Es war ebenso schlimm wie der erste Fund, denn die Soldaten waren kaum zu erkennen. Das Blut bildete auf dem Gestein eine Kruste, die von zahlreichen Insekten umflattert wurde.
Die Toten wurden in Decken gehüllt und auf einen Pferderücken geladen.
Mit steinernem Gesichtsausdruck durchschritt der König das Gelände. Niemand wagte jetzt, ihn anzusprechen, jeder konnte sich vorstellen, was hinter seiner Stirn tobte. David gehörte zu den Siegern und zu den Menschen, die sich so etwas nicht gefallen ließen. Schließlich blieb er stehen. Dann drehte er sich langsam um, damit er seine Soldaten anschauen konnte. »Ich will den haben, der meine Soldaten tötete. Nein, abschlachtete. Wir werden ihn suchen, wir werden ihn…«
Es war der Hauptmann, der ihn unterbrach. In der Wüste kam die Nacht fast übergangslos. So war es auch hier. Genau zwischen dem dunklen und dem hellen Streifen, also an der Grenze zwischen Tag und Nacht, schwebte der unheimliche Schädel in der Luft.
Ein monströses Gebilde, grausam und schrecklich anzusehen, mit weit geöffnetem Maul, leeren Augenhöhlen und einer Zunge, die wie eine rote Riesenschlange aus dem Maul hervorschlug und mit der Spitze ihre Kreise drehte.
König David zog sein Schwert. Er tat es mit einer wilden, wütenden Bewegung, und er schrie dabei, um seiner Wut, seinem Haß und seinem hilflosen Zorn Luft zu verschaffen.
»Das ist der Mörder!« brüllte er schließlich. »Das ist die Vergeltung des Herrn! Womit haben wir das verdient? Weshalb strafst du dein auserwähltes Volk mit diesem Grauen?«
Der König und die wie erstarrt dastehenden Soldaten bekamen keine Antwort. Weiterhin schwebte der riesige Totenschädel an der Grenze zwischen Hell und Dunkel. Dabei wurde er immer mehr von den langen Schatten berührt, so daß es aussah, als würde er sich allmählich auflösen.
»Ich verfluche dich, du finsterer Götze!« schrie David in die Leere und Weite des menschenfeindlichen Landes hinein. »Ich verfluche dich jetzt und für alle Zeiten!«
Seine letzten Worte waren kaum verklungen, da verschwand auch der Schädel.
Die Nacht hatte ihn aufgesaugt.
Der König aber fiel auf die Knie und betete. Seine Soldaten taten es ihm nach. Wie lange sie unbeweglich im Sand gekniet hatten, wußten sie nicht zu sagen. Als sich David wieder bewegte und aufstand, war es bereits empfindlich kalt geworden, und auf die Haut der Männer hatte sich ein Schauer gelegt.
Er drehte sich um und stieg auf sein Pferd. Wesentlich langsamer ritten sie wieder zurück zum Lager, wo die anderen Soldaten ihren Gesichtern ansahen, daß sie etwas Grauenvolles hinter sich hatten. Die Toten wurden bestattet. Flüsternd hatte sich herumgesprochen, was geschehen war, und man redete auch über den Fluch des Königs David. Würde er noch etwas ändern?
Keiner glaubte daran, keiner sprach es aus.
In dieser Nacht lag der König auf seinem Lager, fand keinen Schlaf und haderte mit dem Schicksal. Seit Beginn des Feldzugs war er sich noch nicht so allein vorgekommen.
Irgendwann fielen ihm die Augen zu. In seinen wilden Träumen aber verfolgte ihn ein riesiger, bleicher Totenschädel, der sein Maul weit aufgerissen hatte, um all das zu verschlingen, was sich in seiner Nähe befand.
Menschen, Tiere — einfach alles. Dieser Totenschädel war unersättlich…
***
Jerusalem!
Jahrhunderte später. Das Christentum hatte Einzug gehalten und sich ausgebreitet. Es war wie eine Woge über Europa geschwemmt, doch an seiner eigentlichen Wiege hatte sich eine andere Glaubensrichtung manifestiert.
Der Islam!
Die Ungläubigen, wie sie genannt wurden. Von Reisenden hörten die Ritter, die Bischöfe, Kardinäle und Könige schlimme Nachrichten, die sich um die Stadt rankten und vor allen Dingen um das Heilige Grab, das in die Hände der Ungläubigen gefallen war.
Die Christenheit schloß sich zusammen. Um
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