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Zähl nicht die Stunden

Titel: Zähl nicht die Stunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding
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noch die Lust, irgendetwas Komplizierteres anzufangen als das Vorgespräch zu einem Interview, um das sie gebeten hatte, also lächelte er einfach und beantwortete ihre Frage.
    »Ich fand den Artikel überaus schmeichelhaft«, sagte Jake.
    »Das Foto wird Ihnen nicht gerecht.« Alana Istbister verzog ihre
    kaffeefarbenen Lippen zu einem provozierenden Schmollmund.
    Jake schob die Zeitschrift aus seinem Blickfeld. Fotografien seiner selbst hatten ihn immer verlegen gemacht. Sie waren alle so falsch. Er spürte jedes Mal den schieren Ekel in sich aufsteigen, wenn er ein Bild von sich betrachtete wie das hier, das ihn in anwaltgemäßem grauen
    Flanell auf dem Titelbild des Chicago -Magazins zeigte , jedes Haar penibel gelegt inklusive einiger kunstvoll arrangierter , in die Stirn fallender Fransen , sein gewinnendes Lächeln ein Abbild bescheidenen
    Selbstvertrauens, der Farbton der Krawatte , der das Blau seiner Augen noch intensiver leuchten ließ. »Star-Anwalt Jake Hart: Ein blendender Stratege«, verkündete die fette Schlagzeile. »Ein strategischer Blender«
    kam der Sache schon näher.
    »Ihr Redakteur meinte , dass Sie sich eine andere Art von Artikel vorstellen würden« , gab Jake ihr das Stichwort und blickte verstohlen auf die kleine Digital-Uhr auf seinem großen Eichenholz-Schreibtisch.
    Schon viertel nach zwei. In nicht einmal einer Stunde musste er Kim in der Schule einsammeln und sie zu dem Termin bei ihrer Therapeutin
    bringen. Dann musste er Mattie zu Hause abholen, damit sie Kim nach
    ihrer Sitzung gemeinsam in Empfang nehmen konnten, bevor sie alle
    zusammen zu Matties Mutter fahren wollten , wovor es Jake beinahe genauso graute wie Mattie. Er wusste , dass der Besuch Mattie aufregen würde , und wenn sie sich aufregte, schien sich ihr Zustand immer zu verschlimmern. Sie würde mehr denn je seiner Unterstützung bedürfen , und er brauchte ein wenig Zeit für sich , um sich auf einen Nachmittag vorzubereiten , der garantiert schwierig werden würde. Seine Zeit im Gespräch mit der Reporterin eines albernen Avantgarde-Magazins zu
    vergeuden war so ziemlich das Letzte , was er gebrauchen konnte , egal wie populär die Zeitschrift auch sein mochte und wie attraktiv die
    betreffende Reporterin fraglos war.
    Jake hatte dem Vorgespräch mit dieser Frau von Now nur zugestimmt , weil die designierten Machthaber der Kanzlei, dieselben Mächte , die ihn als gleichberechtigten Partner in Betracht zogen , nachdrücklich angedeutet hatten, dass er weiter gut mit der Presse zusammenarbeiten sollte. Diese Art von Publicity könne man mit Geld nicht kaufen, hatte man ihm erklärt. Es kommt nicht darauf an, was sie über dich schreiben , Hauptsache , sie buchstabieren den Namen der Kanzlei richtig.
    »Wir glauben, unsere Leser würden Sie gern persönlich besser kennen
    lernen« , sagte Alana Istbister , strich sich ihr langes, glattes , braunes Haar hinter ein Ohr und klimperte mit ihren sorgfältig getuschten Wimpern.
    »Über Jake Hart, den Anwalt , ist schon so viel geschrieben worden –
    Glückwunsch übrigens zu Ihrem Sieg im Fall Butler – , aber über Jake Hart , den Menschen , hat man bisher kaum etwas gelesen.«
    »Miss Istbister –«
    » War bister«, unterbrach sie ihn lachend und hob ihre unberingten Ringfinger.
    » W ar bister«, wiederholte er.
    »Warum einigen wir uns nicht einfach auf Alana?«
    Jake nickte. War Flirten schon immer so anstrengend gewesen?
    Vielleicht brauchte er einfach mal wieder eine ganze Nacht Schlaf. Seit er vor sechs Wochen in Matties Bett zurückgekehrt war, hatte er kaum einmal durchgeschlafen. Nachts zuckte oder hustete Mattie ständig, fuhr nach Luft ringend im Bett hoch und stürzte auf dem Weg zur Toilette.
    Er wachte auf, nahm sie in den Arm und versicherte ihr, dass er ohnehin wach gewesen sei. Sie redeten ein paar Minuten und versuchten sich
    wieder zu entspannen. Anfangs war es schwer gewesen , diese Wachheit und das Interesse vorzutäuschen, so zu tun, als hätte er nichts dagegen, mitten in der Nacht stundenlang wach zu liegen. Doch schon bald
    erzählte er ihr beinahe unwillkürlich von seinem Tag und seiner
    wachsenden Verärgerung über die Intrigen und Machtspiele in der
    Kanzlei oder unterhielt sie mit Geschichten von früheren Triumphen im Gerichtssaal. Manchmal konnte er wegen eines Problems bei der Arbeit nicht schlafen, und er ertappte sich dabei zu hoffen, dass Mattie
    aufwachen würde, damit er es mit ihr besprechen konnte. Und
    manchmal , wenn

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