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Zähl nicht die Stunden

Titel: Zähl nicht die Stunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding
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in ihrer Kehle steckte. Sie war in die nächste Toilette gerannt und hatte sich in einer Kabine
    eingeschlossen, wo sie in dem schmalen Raum vor der Schüssel auf und ab gelaufen war wie ein Tiger im Zoo und verzweifelt nach Luft ringend die Hände vor dem Gesicht gewedelt hatte. In jenem Augenblick hatte sie begriffen, dass sie starb. Sie hatte die Krankheit ihrer Mutter geerbt.
    Amyotrophe Eateralsklerose.
    Ganz gewöhnliche Angst.
    Sagte zumindest Rosemary Colicos. »Das heißt nicht, dass diese
    Angstzustände nicht unheimlich und erschreckend sind«, erklärte ihre Therapeutin ihr. »Nur nicht tödlich.«
    »Und was ist damit, dass mein Fuß dauernd einschläft?«, wollte Kim
    in der heutigen Sitzung wissen.
    »Es wäre vielleicht keine schlechte Idee, hin und wieder diese
    schweren Stiefel auszuziehen«, schlug Rosemary vor und wies auf Kims kniehohe schwarze Lederstiefel. »Wenn du den ganzen Tag in solchen
    Stiefeln rumsitzt, werden deine Füße garantiert hin und wieder
    einschlafen. Du stirbst nicht, Kim«, versicherte sie ihr. »Mit dir wird schon alles wieder werden.« Wirklich? Und wenn ja, warum würgte sie jetzt an einem Freitagnachmittag im Winter auf allen Vieren hockend Galle auf einen Bürgersteig mitten in Chicago?
    Nach einer kleinen Ewigkeit ließ der Würgereflex nach, und Kim
    spürte , wie Luft in ihre Lungen strömte. Sie wischte sich die Tränen aus den Augen , legte ihren Kopf an die Schulter ihrer Mutter und spürte die kalte Sonne überraschend warm auf ihrer Wange.
    Und dann fiel der Schatten ihres Vaters auf sie und verdeckte die
    Sonne. »Alles in Ordnung?«
    Kim nickte, rappelte sich langsam auf die Füße und drehte sich dann
    um, um ihrer Mutter zu helfen. Doch Jake stand schon neben Mattie , einen Arm unter ihre Achsel geschoben, den anderen um ihre Hüfte
    gelegt, und Mattie stützte ihr ganzes Gewicht auf ihn. Sie brauchte Kims Hilfe nicht.
    »Alles in Ordnung, Schatz?«, fragte Mattie , als sie wieder in den Wagen stiegen.
    »Bestens« , sagte Kim. »Muss das Hot Dog gewesen sein , das ich zum Mittagessen runter geschlungen habe.«
    »Ich dachte , du isst kein rotes Fleisch«, sagte ihr Vater.
    Und dann sagte niemand mehr etwas, bis der Wagen vor dem Haus
    ihrer Großmutter hielt.
    »Nur zu, such dir einen aus.« Ihre Mutter zeigte aufgeregt auf den
    großen Pappkarton in Grandma Vivs Küche, in dem acht neugeborene
    Welpen über- und untereinander krabbelten. Mattie hatte ein breites schräges Grinsen aufgesetzt, und in ihren Augen standen Tränen , die Art Tränen , die man vergoss , wenn man etwas tat , von dem man wusste, dass es einen anderen Menschen sehr glücklich machen würde. Selbst
    ihrem Vater war ein dümmliches Lächeln ins Gesicht gekleistert. Und
    Kim spürte, wie der selbe blödsinnige Ausdruck an ihren eigenen Lippen zerrte. Ihre Großmutter, die diskret lächelnd neben dem alten
    avocadofarbenen Ofen am anderen Ende der grünweißen Küche stand,
    um ihre dicklichen Knöchel sechs weitere Hunde, war die einzige Person im Raum, die nicht aussah wie ein beschränkter Außerirdischer, sondern wie ein normaler Mensch.
    »Soll das ein Witz sein?«, fragte Kim misstrauisch und näherte sich
    ängstlich dem zappelnden Bündel m dem Pappkarton.
    »Welchen möchtest du haben?«, fragte ihre Mutter.
    »Ich glaub das einfach nicht. Ihr erlaubt mir, einen kleinen Hund zu haben?«
    »Happy Birthday , Kimmy«, sagte ihr Vater.
    »Happy Birthday« , wiederholte ihre Mutter wie ein Echo.
    »Aber mein Geburtstag ist doch erst nächste Woche.« Kim wich von
    dem Karton zurück. Gab es irgendeinen Grund , ihren Geburtstag eine Woche früher zu feiern? Gab es irgendein neues Problem mit ihrer
    Mutter?
    »Es ist alles in Ordnung« , erklärte ihre Mutter ihr, erneut unerlaubt in die hintersten Winkel des Gehirns ihrer Tochter eindringend. »Wir
    wollten bloß, dass es eine Überraschung ist. Wir hatten Angst, wenn wir bis nächste Woche warten –«
    »Ich weiß nicht, welchen ich nehmen soll«, jammerte Kim und stürzte
    sich, bevor ihre Mutter ihre Erklärung beenden konnte, auf den Karton und hob ein kleines weißes Bündel nach dem anderen hoch. »Sie sind alle so süß. Sind sie nicht das Süßeste, was du je gesehen hast?« Sie hielt einen der Welpen am ausgestreckten Arm vor sich und beobachtete, wie seine kleinen Beinchen zwischen ihren Fingern zappelten , während er sie aus kleinen dunkelbraunen Knopfaugen ansah. Teddys Augen, dachte
    Kim, setzte den Welpen zurück in

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