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Zähl nicht die Stunden

Titel: Zähl nicht die Stunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding
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hätte und von dem Sofa gerutscht wäre. Sie stützte sich mit einer Hand ab und rappelte sich auf die Füße. »Wie lange stehst du
    schon da?«
    »Ich habe gehört, wie du Grandma Viv angeschrieen hast.«
    »Ich habe nicht geschrieen.«
    »Also für mich hat es sich wie Schreien angehört.« Kim
    drängte schrittweise weiter ins Zimmer, den tief schlummernden,
    winzigen weißen Welpen im Arm.
    »Du weißt doch, dass deine Mutter manchmal einfach ein bisschen
    aufgeregt ist«, sagte Grandma Viv.
    »Und worüber ist sie aufgeregt?«
    »Über deinen neuen kleinen Hund natürlich« , antwortete Mattie und ging auf Kim zu. »Darf ich ihn mal halten?«
    »Du musst ganz vorsichtig sein« , ermahnte Kim sie, und ihr Blick wanderte besorgt von ihrer Mutter zu ihrer Großmutter, als sie den
    Welpen in Matties zitternde Hände legte.
    Der kleine Hund war so weich und warm, dass Mattie ihn, selbst
    überrascht und mit sichtbar bebenden Händen , an ihre Wange drückte und sanft an ihre Haut schmiegte.
    »Du wirst ihn doch nicht fallen lassen , oder?«, fragte Kim.
    »Vielleicht nimmst du ihn besser wieder.« Mattie drückte den Welpen
    in die wartenden Hände ihrer Tochter und warf einen Blick zu ihrer
    Mutter, die, rote Flecken im ansonsten blassen Gesicht, wie vom Donner gerührt dasaß. »Wir sollten wohl demnächst aufbrechen«, sagte Mattie.
    »Ich komme nicht mit«, verkündete Kim.
    »Was?«
    »Wer kommt wohin nicht mit?«, fragte Jake, der in diesem Moment
    den Raum betrat, von Mattie zu ihrer Mutter und wieder zurück sah und mit Blicken fragte, ob alles in Ordnung war.
    Mattie versuchte zu lächeln und nickte.
    »Ich übernachte heute hier«, erklärte Kim. »Ich möchte George nicht
    alleine lassen. Das heißt, wenn du nichts dagegen hast, Grandma Viv.«
    »Wenn deine Eltern es erlauben«, hörte Mattie ihre Mutter mit
    ungewohnt monotoner Stimme sagen.
    »Natürlich«, sagte Mattie , plötzlich voller Stolz auf ihr einziges Kind.
    »Du bist wirklich süß« , erklärte sie Kim ein paar Minuten später auf der Schwelle der Haustür und hauchte einen Kuss auf ihre Wange. Sie
    verstand, dass Kims Entscheidung zu bleiben nicht nur ihren neuen
    kleinen Hund betraf , sondern dass sie ihre Großmutter genauso wenig allein zurücklassen wollte.
    »Süße sechzehn« , erwiderte Kim mit einem verlegenen Knicks.
    »Vorsichtig«, mahnte Matties Mutter, als Jake Matties Ellbogen fasste und sie zum Wagen führte. »An machen Stellen ist es immer noch glatt.«
    »Ich melde mich, Mama.«
    Ihre Mutter nickte, von bellenden Hunden umringt, und schloss die
    Tür.
    »Und, wie ist es gelaufen?«
    »Es war schwerer, als ich gedacht hatte«, erklärte Mattie Jake.
    »Sie ist deine Mutter, Mattie. Sie liebt dich.«
    Mattie legte ihre Hand auf Jakes, denn sie wusste, wie schwer ihm
    dieser Satz über die Lippen kam. Nicht immer liebten Mütter ihre
    Kinder, wie sie beide wussten. »Ich glaube, auf ihre eigene seltsame Art tut sie das wirklich« , gab Mattie zu , lehnte sich zurück und schloss die Augen, während Jake rückwärts aus der Einfahrt auf die Hudson Avenue setzte. Sie sah die versteinerte Miene ihrer Mutter vor sich in dem
    Moment, als sie ihr die Neuigkeit von ihrem Zustand anvertraut hatte.
    Würde ihre Mutter ihr gegenüber Wort halten? War es realistisch zu
    erwarten, dass sie im Tod für sie da sein würde, wie sie es im Leben nie gewesen war? War diese Bitte überhaupt vernünftig? Mattie schüttelte den Kopf, entschlossen, nicht über etwas zu grübeln, das nicht in ihrer Macht stand.
    »Hast du Lust, ins Kino zu gehen?«, fragte Jake.
    »Ich bin irgendwie müde. Hättest du was dagegen, wenn wir einfach
    nach Hause fahren?«
    »Nein, kein Problem. Was immer du willst.«
    Mattie lächelte, die Augen noch immer geschlossen. Was immer du
    willst. Wie oft hatte sie ihren Mann das in den vergangenen sechs
    Wochen sagen hören? Er strengt sich so sehr an, dachte sie. Er war jeden Abend zum Essen zu Hause, arbeitete nach Möglichkeit in seinem
    heimischen Büro, machte am Wochenende Besorgungen mit ihr, guckte
    neben ihr im Bett Fernsehen und überließ ihr sogar die Fernbedienung.
    Wenn er nicht arbeitete, war er an ihrer Seite. Und wenn er an ihrer Seite war, hielt er ihre Hand oder umfasste ihre Hüfte, und wenn sie
    miteinander schliefen, was sie mehrmals die Woche taten, war es so gut wie immer. Stellte er sich Honey vor, wenn er ihren Nacken liebkoste?
    fragte Mattie sich. Waren es Honeys Brüste, an denen er saugte,

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