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Zähl nicht die Stunden

Titel: Zähl nicht die Stunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding
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in ihre Lunge.
    »Das haben Sie großartig gemacht« , sagte Noreen Aliwallia. »Jetzt erzähl mir erst mal , was genau passiert ist« , sagte Lisa Katzman , klein und zierlich wie ein Vogel , mit überraschend tiefer und kräftiger Stimme.
    Kurzes braunes Haar schmiegte sich um ein schmales sommersprossiges
    Gesicht , in dem die Nase leicht aufgeworfen war und der Mund an den Winkeln stets ein wenig abwärts hing , sodass man in Lisas Augen blicken musste, um zu erkennen , ob sie lächelte oder nicht. In einem weißen Kittel über schwarzem Pulli und schwarzer Hose saß sie auf Matties Bett und gab sich sehr sachlich, aber Mattie sah dennoch die Besorgnis in den weichen braunen Augen der Freundin.
    »Wenn ich das wüsste.« Mattie zog das dünne Kissen in ihrem Rücken
    zurecht und starrte auf das Blümchenmuster der blassgrünen Wand
    hinter Lisas Kopf.
    »Du hast dem Neurologen gesagt , dir sei der Fuß eingeschlafen?«
    »Ja. Es war der reine Wahnsinn, Lisa. Als wäre die Bremse gar nicht
    vorhanden. Ich habe mit dem Fuß immer wieder nach der Stelle
    getreten, wo sie eigentlich hätte sein müssen, aber ich habe überhaupt nichts gespürt. Es war richtig unheimlich.«
    »Ist das schon früher einmal vorgekommen?«
    »Heute Morgen , ja. Ich konnte den Boden nicht spüren und bin gestürzt. Ist Jake hier?«
    »Er war hier. Er musste wieder in die Kanzlei.«
    »Wie war er?«
    »Jake? Ganz in Ordnung. Besorgt um dich natürlich.«
    Natürlich , dachte Mattie.
    »Also, heute Morgen und heute Nachmittag – sonst hast du keine
    ähnlichen Erfahrungen gemacht?«
    »Doch, schon. Du kennst das doch auch, dass einem der Fuß
    einschläft.« Mattie schwieg. Warum stellte Lisa ihr all diese Fragen.
    »Worauf willst du hinaus?«
    »Wie oft ist so was in letzter Zeit vorgekommen?«, fragte Lisa, ohne Matties Frage zu beantworten. Ihre Augen lächelten noch, sie tat so,als gehörten diese Fragen zur Routine. »Einmal die Woche? Jeden Tag?«
    »Vielleicht ein paar Mal pro Woche.«
    »Und wie lange geht das schon so?«
    »Keine Ahnung. Zwei Monate vielleicht.«
    »Warum hast du nie ein Wort darüber gesagt?«
    »Ich hielt es nicht für so wichtig. Ich kann dich doch nicht wegen
    jeder Kleinigkeit anrufen.«
    Lisa warf ihr einen Blick zu, der sagte: Seit wann denn das nicht?
    »Ich verstehe das Problem nicht«, fuhr Mattie fort. »Kommt das nicht bei jedem Mal vor, dass ihm der Fuß einschläft?«
    »War das heute Morgen das erste Mal, dass du gestürzt bist?«
    Mattie nickte nachdrücklich. Dieses Gespräch gefiel ihr immer
    weniger, sie hatte überhaupt kein Interesse daran, es weiter fortzusetzen.
    Wo war Lisa, die Freundin, geblieben? Lisa, die Ärztin, begann ihr auf die Nerven zu gehen.
    »Hat jemand Kim benachrichtigt?«
    »Jake hat sie angerufen. Er kommt später mit ihr her. Er meint, sie solle bei deiner Mutter bleiben, bis du nach Hause kommst.«
    »Bei meiner Mutter? Das arme Kind! Das wird sie mir nie verzeihen.«
    »Na komm, du wirst gar nicht so lang hier drinnen sein, dass sie einen unversöhnlichen Hass aufbauen kann. Jake hat mir erzählt, dass du
    heute, als er mitten in seinem Plädoyer war, laut gelacht hast«, bemerkte Lisa, als folgte der eine Gedanke ganz natürlich auf den anderen.
    »Das hat er dir erzählt? Mist! War er sehr wütend?«
    »Ich dachte, du hättest dich entschieden gehabt, nicht zur
    Verhandlung zu gehen.« Lisas Blick sagte: Was fragst du mich um Rat, wenn du ihn dann doch nicht befolgst?
    Mattie schwieg. Es waren keine Worte nötig.
    »Warum hast du gelacht?«, fragte Lisa. »Das weiß ich selbst nicht« , antwortete Mattie aufrichtig. »Es kam einfach so.«
    »Hast du an irgendwas Komisches gedacht?«
    »Nicht , dass ich wüsste.«
    »Du hast ohne allen Grund angefangen zu lachen?«
    »Ja« , bestätigte Mattie. »Warum fragst du? Was tut das hier zur Sache?«
    »Ist dir das schon früher mal passiert?«
    »Was?«
    »Dass du ohne Grund lachen musstest. Oder weinen. Dass du
    Reaktionen hattest, die der Situation überhaupt nicht angemessen
    waren.«
    »Ja, ab und zu«, antwortete Mattie und dachte an ihren
    Tränenausbruch auf der Treppe vor dem Museum. Sie fühlte sich
    zunehmend unsicher und bedrängt.
    »In den letzten Monaten?«
    »Ja.«
    »Wie ist esmit den Händen? Kennst du dieses Kribbeln da auch?«
    »Nein.« Sie hielt kurz inne. »Das heißt, manchmal habe ich
    Schwierigkeiten mit dem Schlüssel.«
    »Was heißt das?«
    »Na ja, ich kriege ihn nicht immer gleich ins

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