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Zähl nicht die Stunden

Titel: Zähl nicht die Stunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding
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erschreckend dumm sein.«
    Jake fuhr hoch. »Ich hatte gehofft, wir könnten das abmachen , ohne persönlich zu werden« , sagte er scharf.
    »Ohne persönlich zu werden? Du verlässt mich wegen einer anderen
    Frau und findest das nicht persönlich?«
    »Ich hatte gehofft, wir würden einander Beschimpfungen ersparen.
    Wir könnten weiterhin Freunde bleiben«, fügte er lahm hinzu.
    »Du möchtest mit mir befreundet sein?«
    »Wenn es möglich ist.«
    »Wann waren wir je Freunde?«, rief sie in ungläubigem Ton.
    Er blickte zu Boden, fixierte die Wirbel und Bögen in der Maserung
    des dunklen Holzes. »Bedeutet dir das gar nichts?«
    »Nein. Was sollte es mir bedeuten?«
    »Mattie«, begann Jake und brach ab. Was wollte er denn vorbringen?
    Sie hatte ja Recht. Sie waren nie Freunde gewesen. Warum sollten sie nun plötzlich welche werden? »Wie lange weißt du schon davon?«
    »Von dieser Geschichte? Nicht allzu lange.« Sie zuckte mit den
    Schultern, verzog in plötzlichem Schmerz das Gesicht , ging zum Fenster und starrte zur Straße hinaus. »Wie war übrigens euer Zimmer im Ritz-Carlton? Das ist immer eines meiner Lieblingshotels gewesen.«
    »Da hast mich überwachen lassen?«
    Mattie lachte, hart und zornig, ein Geräusch so scharf wie
    Katzenkrallen , das Wunden riss. »Irrelevant und polemisch« , sagte sie schnippisch , seine früheren Worte als Waffe gegen ihn einsetzend.
    »Was wolltest du deswegen tun?«
    »Ich hatte mich noch nicht entschieden.«
    Ihren Worten folgte ein langes Schweigen.
    Sie wusste also Bescheid. Jake fragte sich , ob sie vielleicht Honey im Gerichtssaal gesehen und das ihren Auftritt ausgelöst hatte. War sie wirklich so rachsüchtig? Oder hatte das Gelächter sie tatsächlich so spontan überfallen , wie sie behauptete, und sie selbst so sehr aus der Fassung gebracht wie ihn? Er hatte keine Ahnung. Er begriff, dass er die Frau, mit der er seit fünfzehn Jahren verheiratet war, kaum kannte, und diese Einsicht war schmerzhaft.
    »Vielleicht hat aber dein Unbewusstes schon entschieden«, sagte Jake.
    »Vielleicht« , stimmte sie leise zu und drehte sich mit langsamer Bewegung nach ihm um. Ihre Gestalt hob sich scharf umrissen aus dem
    schwindenden Tageslicht hinter ihr. Selbst bei dieser Beleuchtung konnte Jake erkennen , dass Zorn und Wut aus ihrem Blick gewichen waren. Ihre Haltung war weicher geworden , die Verkrampfung der hochgezogenen Schultern hatte sich gelöst. Sie wirkte kleiner , ungleich verletzlicher, als er sie je gesehen hatte.
    »Es ist also vorbei« , sagte sie nur.
    Jake war nicht sicher , was diesen plötzlichen Stimmungswandel bewirkt hatte. Sah Mattie ein , dass er Recht hatte und durch Streit nichts zu gewinnen war , oder besaß sie einfach nicht die Kraft zu weiteren Diskussionen? Vielleicht war sie so froh wie er, dass endlich alles offen auf dem Tisch lag und so jeder von ihnen die Möglichkeit hatte, die
    Konsequenzen zu ziehen und neu anzufangen. Sie war noch jung. Sie
    war unbestreitbar eine attraktive Frau. Bestürzt über das unerwartete Verlangen , das sich in ihm regte , wandte er sich ab. Was zum Teufel war los mit ihm? Hatte nicht genau das sie beide ins Schlamassel gebracht?
    »Ich denke , du solltest jetzt gehen« , sagte Mattie.
    »Was?« Der plötzliche Rollentausch irritierte Jake. Er fühlte sich aus der Bahn geworfen. Er hatte ihr doch gesagt, dass er noch einige Tage bleiben würde, bis sie sich wieder kräftiger fühlte. Er hatte ihr doch gezeigt , dass er trotz allem immer noch bereit war , Verantwortung zu tragen , sich zu kümmern. Großmut zu zeigen. Wie konnte sie alles einfach so hinschmeißen?
    »Es gibt keinen Grund für dich zu bleiben«, sagte sie sachlich. »Ich komme schon zurecht.«
    »Wie war’s, wenn ich bis morgen bleibe –«, begann er.
    »Mir wäre es lieber , du tätest das nicht. Es ist wirklich nicht nötig.«
    Ein paar Sekunden blieb Jake reglos sitzen, dann stand er vom Sofa auf, ging ein paar Schritte und blieb in der Mitte des Zimmers stehen , erneut reglos , ungewiss, was von ihm jetzt erwartet wurde. Sollte er an seinem Plan festhalten und darauf bestehen zu bleiben? Sollte er ihr freundlich zuwinken und zur Tür hinausmarschieren oder ihr zum
    Abschied noch einen letzten Kuss geben?
    »Tschüss , Jake« , sagte Mattie in gleichmütigem Ton und nahm ihm damit die Entscheidung ab. »Du tust schon das Richtige« , versicherte sie ihm zu seiner Überraschung. »Wenn auch vielleicht nicht aus den
    richtigen Gründen.

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