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Zähl nicht die Stunden

Titel: Zähl nicht die Stunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding
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Mattie. »Sie hatgezeigt, dass ich keine habe, esist aber eine Sklerose.«
    »ALS ist etwas anderes«, erklärte Lisa.
    »ALS?«, fragte Mattie.
    »Das ist die Abkürzung für –«
    »Ich weiß, wofür es die Abkürzung ist«, fiel Mattie ihr ins Wort. »Ich bin nicht schwachsinnig. Meine Gehirnzellen sind noch nicht tot.«
    »Mattie —«, sagte Jake und brach ab.
    »Die Krankheit wird deine Geisteskräfte nicht angreifen.«
    »Nein?« Mattie blieb stehen. »Was wird sie denn angreifen?«
    »Vielleicht solltest du dich lieber setzen.«
    »Vielleicht will ich mich aber nicht setzen, Lisa. Vielleicht möchte ich, dass du mir einfach sagst, was auf mich zukommt , damit ich endlich hier abhauen und mein Leben leben kann.« Mattie hätte beinahe gelacht.
    Mein Leben, dachte sie. Ein Witz. »Wie lange habe ich noch?«
    »Das können wir nicht genau sagen. Es ist ungewöhnlich , dass jemand in deinem Alter ALS bekommt –«
    »Wie lange , Lisa?« , beharrte Mattie.
    »Ein Jahr.« Die Tränen stürzten ihr aus den Augen. »Vielleicht zwei«, fügte sie hastig hinzu. »Möglicherweise sogar drei.«
    »Mein Gott!« Mattie fühlte, wie ihre Beine nachgaben, ihr Körper sich unter ihr auflöste, sodass ihr Kopf sich wie ein gigantischer Ballon anfühlte, der unter einem stürmischen Himmel kreiselte und jeden
    Moment abstürzen würde.
    Lisa und Jake sprangen von ihren Stühlen auf und hielten sie, bevor
    sie fallen konnte.
    »Atme tief durch«, drängte Lisa, während Mattie fühlte , wie Hände sie sanft auf dem Stuhl festhielten. Sie hörte Wasser rauschen und spürte den Druck eines Glases an ihren Lippen. »Trink langsam«, mahnte Lisa, als sich auf Matties Zunge das kühle Wasser mit dem warmen Salz ihrer Tränen mischte.
    »Geht es wieder?«, fragte Lisa nach einer Weile. »Nein« , antwortete Mattie leise. »Ich muss sterben. Wusstest du das nicht?«
    »Ach , Mattie , es tut mir so Leid!« Lisa weinte und umklammerte Matties Hände.
    Jake, bemerkte Mattie, hing so schlaff an der Tür wie jemand, dem sie das letzte Quäntchen Luft aus der Lunge geschlagen hatten. Hey, was ist los mit dir?, hätte sie gern gefragt. Es geht dir wohl an die Nieren, dass du hier mit deinem Hokuspokus nichts ausrichten kannst? Es geht dir wohl an die Nieren , dass du mir die Todesstrafe, die mir soeben von einem höheren Gericht aufgebrummt wurde, nicht ersparen kannst?
    »Ein Jahr«, sagte Mattie.
    »Vielleicht auch zwei oder drei«, sagte Lisa hoffnungsvoll.
    »Und worauf muss ich mich in diesem einen oder den zwei oder drei
    Jahren gefasst machen?«
    »Es ist unmöglich, den genauen Verlauf der Krankheit
    vorherzusagen«, antwortete Lisa. »Sie verläuft bei jedem anders, und selbst im Einzelfall gibt es keine symmetrische Entwicklung.«
    »Bitte, Lisa! Ich habe nicht viel Zeit.« Mattie lächelte , und Lisa lachte unwillkürlich todtraurig.
    »Okay« , sagte Lisa. »Okay. Du willst die nüchternen Fakten? In Ordnung.« Sie machte eine Pause, schluckte, holte einmal Luft und dann noch einmal. »Die ALS ist eine beständig fortschreitende Krankheit, die letztlich zum Tod führt. Sie greift Geist und Bewusstsein ihrer Opfer nicht an, sie raubt ihnen aber in zunehmendem Maß die Kontrolle über ihren Körper«, zitierte sie, unter Tränen , als hätte sie den Text auswendig gelernt , »mit dem Fortschreiten der Krankheit wirst du deine Beine nicht mehr gebrauchen können. Du hast das Prickeln in den Füßen schon
    kennen gelernt. Du stürzt schon jetzt häufiger als normal. Das alles wird sich beständig verschlimmern. Irgendwann wirst du nicht mehr gehen
    können. Du wirst im Rollstuhl sitzen.« Sie holte so tief Atem , als zöge sie an einer Zigarette. »Du hast mir erzählt , dass du manchmal Schwierigkeiten hast , den Schlüssel ins Schloss zu stecken. Das ist ein frühes Symptom der ALS. Irgendwann wirst du auch deine Hände nicht
    mehr gebrauchen können. Dein ganzer Körper wird langsam untauglich
    werden, während dein Geist und dein Bewusstsein scharf und klar
    bleiben.«
    »Ich werde also eine Gefangene meines eigenen Körpers sein«, sagte
    Mattie leise.
    Lisa nickte. Sie ließ ihren Tränen jetzt freien Lauf. »Du wirst nicht mehr richtig sprechen können und anfangen zu lallen. Du wirst beim
    Schlucken Schwierigkeiten bekommen, und irgendwann wirst du
    wahrscheinlich künstlich ernährt werden müssen.«
    »Und wie werde ich sterben?«
    »Mattie, bitte –«
    »Sag es mir, Lisa. Wie werde ich sterben?« ;, s
    »Du wirst

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