Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Zähl nicht die Stunden

Titel: Zähl nicht die Stunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding
Vom Netzwerk:
Lisa?«
    »Nur dass ich seine Anwesenheit für sehr wichtig halte.«
    »Ach, es geht wohl um Leben und Tod?«, hörte Mattie sich sagen.
    Lisa antworte nicht gleich.
    »Es ist schwierig«, sagte Lisa nach einer Pause, die eine Spur zu lang gedauert hatte, und zum ersten Mal hörte Mattie Tränen in der
    beherrschten Stimme ihrer Freundin. »Bitte, Mattie. Lass dich von Jake abholen. Wir reden, wenn du hier bist.«
    Mattie nickte nur und legte ohne ein Wort auf. Sie hatte Mühe, die
    wachsende Panik in Schach zu halten. Schwierig , dachte sie. Warum musste immer alles so verdammt schwierig sein? Sie verglich ihre Uhr mit den beiden anderen in der Küche und stellte fest , dass sie fünf Minuten nachging. »Das heißt , ich habe noch weniger Zeit als gedacht« , murmelte sie und musste gegen Tränen ankämpfen. Sie war froh , dass Kim nicht hier war. Kim hatte bereits Probleme genug. Blind tappte sie aus der Küche hinaus und ging benommen nach oben. Im Schlafzimmer
    schlug sie die blaue Steppdecke auf und kroch voll bekleidet in das frisch gemachte Bett. Dort lag sie immer noch, die Decke bis zum Kinn
    hochgezogen, als es eine halbe Stunde später läutete. Gleich darauf hörte sie das Geräusch des Türschlüssels, und dann machte unten jemand auf.
    »Mattie?«, rief Jake aus dem Vestibül. »Mattie, ich bin’s. Bist du fertig?
    Wir müssen fahren.«
    Mattie richtete sich auf, fuhr sich durch das dunkelblonde Haar, das links platt an ihrer Wange klebte , stopfte die grüne Seidenbluse in ihre schwarze Hose und holte einmal tief Atem. Sie würde Jake die
    Hausschlüssel abnehmen müssen , schoss es ihr durch den Kopf.
    »Ich komme gleich«, rief sie.
    Fünf Minuten später hörte sie Jake die Treppe herauflaufen und
    wurde sich bewusst, dass sie sich nicht von der Stelle gerührt hatte.
    »Du leidest an einer Krankheit , die Amyoptrophische Lateralsklerose heißt« , erklärte Lisa mit brüchiger Stimme und sah Mattie an , die wie erstarrt neben Jake in einem von Lisas kleinen Untersuchungsräumen saß.
    »Das klingt ernst.« Mattie wich dem Blick der Freundin aus und
    fixierte die Wand hinter ihr.
    »Es ist ernst«, sagte Lisa leise.
    »Wieso habe ich noch nie von dieser Krankheit gehört?«, fragte Mattie scharf, als machte das irgendeinen Unterschied, als hätte sie, wäre die Krankheit ihr bekannt gewesen, verhindern können, von ihr befallen zu werden.
    »Du kennst sie wahrscheinlich unter dem bei uns geläufigeren Namen
    Lou-Gehring-Krankheit.«
    »O Gott!«, keuchte Mattie und spürte zugleich, wie neben ihr Jake in seinem Stuhl zusammensank. »Ist dir nicht gut? Möchtest du ein Glas Wasser?«
    Mattie schüttelte den Kopf. Sie wollte ganz andere Dinge: nicht in
    diesem Zimmer sein, in ihrem Bett liegen und schlafen, ihr Leben
    zurückhaben.
    »Was heißt das genau? Ich weiß, dass Lou Gehrig ein berühmter
    Baseballspieler war. Ich weiß, dass er an einer schrecklichen Krankheit gestorben ist. Und du sagst jetzt – was? Dass ich die gleiche Krankheit habe? Woher weißt du das?«
    »Dr. Vance hat mir die Ergebnisse des Elektromyogramms heute
    Morgen gefaxt. Sie sind eindeutig.« Lisa hielt Mattie den hellen Hefter mit den Unterlagen hin. Jake nahm ihn, als Mattie sich nicht rührte. »Er fragte mich, ob ich es dir sagen wolle –«
    Sag es mir nicht, dachte Mattie.
    »Sag es mir«, forderte sie, in ihren Ohren ein schreckliches Dröhnen.
    »Der Test zeigt beträchtliche Denervierung –«
    »Lass den Jargon!«, fuhr Mattie sie an.
    »An den motorischen Neuronen in Rückenmark und Hirnstamm sind
    irreversible Schäden festzustellen.«
    »Und was heißt das?«
    »Die Nervenzellen sterben«, erklärte Lisa.
    »Die Nervenzellen sterben« , wiederholte Mattie. »Die Nervenzellen sterben. Was heißt das? Heißt das , dass i c h sterbe?«
    Es war völlig still. Keiner rührte sich. Keiner atmete.
    »Ja«, sagte Lisa schließlich kaum hörbar. »O Gott, Mattie , es tut mir so entsetzlich Leid.« Ihre Augen waren voller Tränen.
    »Warte! Warte!« Mattie sprang auf und begann, in dem kleinen Raum
    zwischen dem Untersuchungstisch und der Tür hin und her zu laufen.
    »Ich verstehe das nicht. Wenn ich diese amyotrophische weiß-der-
    Teufel-was-Krankheit habe, wieso hat sich das dann bei der
    Kernspintomographie nicht gezeigt? Den Bildern zufolge war doch alles in bester Ordnung« , erinnerte sie Lisa.
    »Mit der Kernspintomographie werden andere Dinge dargestellt.« »Ja,
    zum Beispiel Multiple Sklerose«, sagte

Weitere Kostenlose Bücher