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Zähl nicht die Stunden

Titel: Zähl nicht die Stunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding
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reden«, fuhr Mattie ihn an.
    »Für mich ist das Ganze ein riesiger Irrtum. Ende der Diskussion.«
    »Wir müssen uns überlegen, was wir tun wollen, wie wir es Kim
    sagen, was wir unternehmen sollten –«
    »Sag mal, wie kommt es eigentlich, dass immer dann, wenn du nicht
    über die Dinge reden willst, das Thema sofort ad acta gelegt wird, ich dagegen, so oft ich will, Ende der Diskussion sagen kann, ohne dass es ankommt?«, rege Mattie sich auf.
    »Ich möchte dir doch nur helfen.« Jakes Stimme schwankte und klang
    sehr brüchig.
    Mattie wandte sich ab. Sie wollte Jakes Schmerz nicht zur Kenntnis nehmen. Täte sie es, würde sie ihn fühlen müssen, und das konnte sie sich nicht erlauben. »Kopf hoch, Jake«, sie öffnete die Wagentür, »es gibt keinen Anlass zur Sorge. Es ist, wie gesagt , alles nur ein Riesenirrtum.
    Ich bin kerngesund.«
    Jake lehnte sich in dem Sitz aus dunklem Leder zurück und blickte
    zum getönten Schiebedach über seinem Kopf hinauf. »Kann ich dich
    später anrufen?«
    »Was wird denn deine Freundin dazu sagen?« Mattie stieg aus dem
    Wagen , ohne auf seine Antwort zu warten.
    »Mattie –«
    »Woher hast du eigentlich die Narbe auf deinem Handrücken?« , fragte sie , sich und ihn überraschend, und wartete dann an die offene Wagentür gelehnt. Sie sah, wie Jake bleich wurde und seine blauen Augen sich trübten. Jetzt ist der Scheinwerfer auf dich gerichtet, mein Lieber, dachte sie, wohl wissend, wie unangenehm ihm jedes Gespräch über seine
    Vergangenheit war. Würde er Vergessen vortäuschen, mürrisch der
    Frage ausweichen? Oder würde er irgendetwas erfinden, ihr ein Märchen erzählen, um sie abzuwimmeln? Jake strich sich geistesabwesend über die Stelle auf seinem Handrücken. »Als ich ungefähr vier Jahre alt war , hat meine Mutter mal ein heißes Bügeleisen über meine Hand gehalten«,
    sagte er leise.
    »Mein Gott!« Mattie kamen die Tränen. »Warum hast du mir das nie
    erzählt?«
    Er zuckte die Achseln. »Wozu?«
    »Ich war immerhin deine Frau.«
    »Und was hättest du tun können?«
    »Ich weiß es nicht. Vielleicht hätte ich helfen können.«
    »Genau das möchte ich jetzt tun, Mattie«, sagte Jake und schaffte es, wieder sie in den Mittelpunkt zu rücken und sich selbst aus dem
    Rampenlicht zurückzuziehen. »Helfen , so weit ich kann.«
    Mattie richtete sich auf. Sie sah zum Einkaufszentrum hinüber und
    blickte dann wieder Jake an. »Ich werd’s mir merken.« Ihre Stimme war kalt und gepresst. »Fahr vorsichtig«, sagte sie. Sie schlug die Wagentür zu und ging ohne einen Blick zurück davon.
    Eine halbe Stunde später trat sie in ein kleines Reisebüro ganz am
    westlichen Ende des Old Orchard Einkaufszentrums und ließ die zwei
    großen Einkaufstüten, die sie mitschleppte, einfach vor dem ersten freien Schalter fallen. »Ich möchte gern eine Reise nach Paris buchen«, sagte sie und setzte sich, ohne auf eine Aufforderung zu warten. Lächelnd sah sie die rundliche Frau mittleren Alters an, die ihrem Namensschildchen
    zufolge Vicki Reynolds hieß, und kam rasch zu dem Schluss, dass Vicki Reynolds zu den Leuten gehörte, die sich gern beschäftigter gaben, als sie es tatsächlich waren. Ihre Hände waren in ständiger hektischer
    Bewegung und ihre Gesichtszüge angespannt vor lauter
    Scheinkonzentration. Im Augenblick gab sie mit großem Getue
    irgendwelche Daten in ihren Computer ein.
    »Nur eine Sekunde« , sagte sie , ohne aufzublicken. »Ich habe nicht viel Zeit«, erklärte Mattie und musste schon wieder lachen.
    Die Frau warf einen Blick zu den zwei anderen Schaltern , aber vor beiden warteten Kunden. »Ich stehe sofort zu Ihrer Verfügung.«
    Mattie lehnte sich zurück , froh , eine Weile sitzen zu können. Seit sie sich von Jake getrennt hatte , war sie wie eine Wahnsinnige von einem Geschäft ins andere gerannt, hatte sich hier etwas zeigen lassen , dort etwas anprobiert , bis sie schließlich nicht nur mit drei neuen Pullovern , einer davon in pinkfarbenem Angora , abgezogen war , sondern dazu mit zwei schwarzen langen Hosen, weil man schwarze Hosen nie genug
    haben konnte, einem Paar waldgrüner Wildlederschuhe von Robert
    Clergerie, von denen der Verkäufer ihr versichert hatte, man könne sie zu allem tragen , und einer irren knallroten Lederjacke von Calvin Klein.
    Die Jacke kostete ein kleines Vermögen , aber die Verkäuferin hatte behauptet, sie sei ein Klassiker und würde nie aus der Mode kommen.
    Die würde sie ewig tragen können. »Ewig«,

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