Zaehme mich
klebte.
»Mein Gott, Jamie. Ich hab dich ja so vermisst. Ich hab dich gebraucht, und jetzt ist alles ganz schrecklich. Ich verstehe ja, warum du keine Lust gehabt hast … Ich weiß, du warst sauer auf mich, aber du warst doch auch früher auf mich sauer, und da hab ich doch auch alles Mögliche angestellt, und trotzdem hast du mir immer geholfen. Warum hast du denn nicht …« Sarah ließ seine Arme los und vergrub das Gesicht in den Händen.
Ihr Benehmen war fast schon hysterisch, und das erschreckte ihn, denn Sarah war doch immer so gelassen und nüchtern gewesen. »Hör bitte auf zu weinen, Sarah, ich kann dich nicht verstehen.« Jamie streichelte ihr Gesicht und ihre Arme und gab Laute von sich, die er für tröstlich hielt. Shelley machte immer solche Laute, wenn er aus einem seiner Alpträume hochfuhr. Sarah weinte und schlotterte einfach weiter. Jamie fragte sich, ob sie irgendwelche Drogen genommen hatte.
Doch plötzlich hörte sie auf und stand so ruckartig auf, dass er nach hinten taumelte. »Das reicht jetzt. Wenn ich so weiterheule, zerreiße ich mir noch eine Tränendrüse, verdammte Scheiße.« Sie trat vors Fenster und starrte hinaus. Als sie sich mit dem Ärmel das Gesicht abwischte, fiel Jamie auf, dass sie eine weiße Strickjacke trug. Ein ziemlich seltsames Kleidungsstück, fast wie die Babyjacke, in die sie Bianca steckten, wenn draußen ein kühler Wind blies.
Sie hustete mehrmals, den Kopf gegen die Scheibe gestützt. »Dir geht es anscheinend recht gut. Toller Ausblick auf den Fluss und alles. Muss doch schön sein, wenn man den ganzen Tag dem vorbeifließenden Schlick zuschauen kann.«
»Ja, neulich hab ich gesehen, wie sie eine Leiche rausgezogen haben.«
»Das gibt’s nicht.«
»Nein, stimmt auch nicht.«
Sarah setzte sich wieder an seinen Schreibtisch und zündete sich eine Zigarette an.
»Hier darf im ganzen Haus nicht geraucht werden, Sarah.«
»Ist das nicht bei allen Häusern so? Soll ich mich zum Fenster raushängen, oder was?«
Er schüttelte den Kopf. »Also, wie geht’s denn immer so, Sarah Clark?«
»Na, wie sehe ich aus?«
»Total beschissen«, antwortete er, und Sarah lachte. »Du hast mir gefehlt, Sar. Ich hab die ganze Zeit auf den Anruf gewartet, den du mir versprochen hast.«
»Was?« Sie runzelte die Stirn. »Ich hab dich doch hundertmal angerufen!«
»Nein, hast du nicht. Wann hast du angerufen?«
Sie machte das Fenster einen Spalt auf, um die Asche ihrer Zigarette abzustreifen, und schloss es wieder. Als sie sich wieder zu ihm wandte, liefen ihr erneut die Tränen über die Wangen. »Ich hab doch die ganze Zeit angerufen, am Anfang zumindest. Ich hab Nachrichten bei Mike hinterlassen, bei deiner Mum, bei Brett. Ich hab sogar versucht, mit Shelley zu reden … na ja, ich kann ihr keinen Vorwurf machen.«
Er stand auf und ging zum Fenster, um sie besser sehen zu können. »Sarah, wenn du mich so oft angerufen hast, wieso wäre ich dann fast verrückt geworden vor lauter Sorge um dich?«
»Mein Gott, Jamie, niemand hat dir was gesagt? So eine verdammte … Und was ist mit den Nachrichten, die ich hier hinterlassen habe?«
Jamie spürte Übelkeit in sich aufsteigen und konzentrierte sich auf das blau glitzernde Parkplatz-Schild auf der anderen Straßenseite, um nicht den Boden unter den Füßen zu verlieren. »Was für Nachrichten?«
Sie öffnete das Fenster und warf die Kippe hinaus.
»Ungefähr zwanzig. Wahrscheinlich sogar mehr.«
Jamie setzte sich und presste die Hände zusammen, wie es ihm sein Therapeut vorgemacht hatte. Er sollte seine Panik und seinen Zorn zwischen den Händen fühlen und sich dann von diesen Emotionen trennen, indem er die Handflächen nach oben drehte. Lassen Sie los, Jamie, lassen Sie einfach alles los.
»Wo hast du die Nachrichten hinterlassen?«
»Bei dieser zickigen Rezeptionistin.«
Warum sollte ihm Angie nicht ausrichten, dass Sarah angerufen hatte? Angie kannte doch Sarah nicht einmal.
Nur dass sie wahrscheinlich von Sarah wusste, weil sie jeden Dienstagabend mit Shelley zum Yoga ging. Jamie drückte die Hände so fest aneinander, dass er sich fast die Handgelenke gebrochen hätte. »Shelley hat also gewusst, dass du dich mit mir in Verbindung setzen wolltest?«
»Scheiße.« Sarah trat gegen die Wand. »Ja, sie hat es gewusst, verdammt.«
Sich auf die Wut konzentrieren. Und sie mit den Händen zusammenquetschen. Es ist nur ein winziger Ball. Drück ihn flach. Forme ihn. Dreizehn Monate und zwölf Tage lang hatte
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