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Zaehme mich

Zaehme mich

Titel: Zaehme mich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Maguire
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mehr stehen musste. Er fuhr wie ein Mann, der es gewohnt war, kleine Kinder herumzuchauffieren. Langsam, aber mit häufigen, schnellen Blicken zur Seite, über die Schulter und in den Rückspiegel.
    »Sie kommen gerade von der Arbeit?« Er schielte seitwärts und dann auf ihre Beine.
    »Ja. Normalerweise nehme ich den Bus, aber er ist nicht gekommen.«
    »Trotzdem sollten Sie nicht einfach zu fremden Männern ins Auto steigen.«
    Sarah schaute ihn an. Er hatte viele Fältchen um die Augen, und seine Nase war ein wenig schief. Von vorn war es wohl gar nicht zu erkennen, doch aus ihrer seitlichen Position sah sie den winzigen Knick, der wahrscheinlich vom Football oder vom Squash stammte.
    Sicherlich nicht von einer Barschlägerei, dafür war er zu gepflegt. In drei Jahren war bestimmt nichts mehr mit ihm anzufangen. Aber er hatte nette Ohren. Kleine, niedliche Ohren.
    »Ich meine …« Wieder schielte er auf ihre Beine. »Ich könnte doch ein Axtmörder sein oder ein Serienkiller.«
    »Sie könnten, aber Sie sind es nicht, oder?«
    Er lachte in sich hinein und zeigte dabei ein Doppelkinn.
    »Das würde ich Ihnen wohl kaum auf die Nase binden.«
    Sarah lächelte. »Das müssten Sie auch nicht. Ich habe einen angeborenen Instinkt für Psychopathen.« Als eine Art Test berührte sie ihn kurz am Arm. Er versuchte, ein Ächzen mit einem Räuspern zu überspielen. Wieder berührte sie ihn, nur dass sie die Hand diesmal auf seinem nackten Unterarm liegen ließ. »Bei Ihnen bin ich völlig sicher, das merke ich genau.«
    Zum ersten Mal sah er ihr ins Gesicht. »Wie alt sind Sie?«
    Sie streifte mit der Handfläche über den weichen Pelz auf seinem Arm. »Alt genug.«
    Stirnrunzelnd betrachtete der Mann die
    Windschutzscheibe. »Wo muss ich abbiegen?«
    »Nach der nächsten Ampel links.«
    Schweigend fuhr er weiter. Sarah fragte sich, warum er mit seinem Familienkombi so spät an einem Wochentag in der Vorstadt herumfuhr. Vermutlich war er zu einem der Bordelle in der Sorrel Street unterwegs gewesen. Entweder das, oder er war tatsächlich ein Psychopath auf der Suche nach dem nächsten Opfer.
    »Und wohin wollen Sie heute noch? Wenn Sie mich abgesetzt haben, meine ich.«
    Er leckte sich über die Lippen. »Ach … nirgendwohin eigentlich.«
    Sie waren fast da. Sie war hundemüde und musste wirklich dringend ins Bett. Der Mann kniff die Lippen zusammen und konzentrierte sich etwas zu sehr aufs Fahren.
    »Halten Sie da vor dem Laster.«
    Er folgte ihrer Anweisung. Die Hände in gleichmäßigem Abstand auf dem Steuer starrte er geradeaus. Sie war müde, ja, aber ein anderes Bedürfnis in ihr war viel stärker.
    Bei der Arbeit als Serviererin verlor sie den Kontakt zu sich selbst. Sie wurde zu einer Frau in Uniform und lächelte munter den ungefähr zwanzig Typen zu, die sie täglich fragten, ob sie eine Karriere im Gaststättengewerbe erfüllend fand; eine Nullachtfünfzehn-Kellnerin, die dem alten Kerl, der sie jedes Mal beim Vorbeigehen in den Hintern kniff, kein Bier über den Kopf goss; ein kräftiges Paar zupackender Hände, die wischten, stapelten, Bestellziffern kritzelten und putzten. Nach vierzehn Stunden Abgeschottetsein von der Welt sehnte sie sich danach, sich wieder zu öffnen.
    »Ich trinke noch ein Bier, bevor ich mich hinlege.
    Wollen Sie auch eins?«
    Mit zitternden Händen umklammerte der Mann das Lenkrad. »Ja, gerne.«
    Während sie die Tür aufschloss, plapperte er vor sich hin – er war bei einem Arbeitstreffen gewesen und konnte nicht lang bleiben, seine Frau erwartete ihn zu Hause –, doch drinnen verstummte er.
    Sarah beobachtete sein Gesicht. Daran, wie ein Mann auf ihre Wohnung reagierte, konnte sie immer erkennen, wie er im Bett war. Hochgezogene Brauen und eine gerümpfte Nase bedeuteten, dass der Typ sie besteigen würde, als wäre er der Prinz und sie die Küchenmagd; traurige Augen und mitleidige Seufzer signalisierten, dass sie das kleine verirrte Mädchen war, das von ihrem freundlichen Beschützer gevögelt wurde; offenes Missfallen an ihrer Haushaltsführung war ein sicherer Hinweis darauf, dass sie sich als unartige Tochter auf Daddys Strafe gefasst machen musste; und Zögern oder gar Angst hieß, dass sie die Sache selbst in die Hand nehmen und dem armen Mann beweisen musste, dass alles in Ordnung war. Am liebsten waren ihr die – die mit Abstand seltensten Fälle – die überhaupt nicht reagierten und sich nicht einmal umsahen.
    Die Typen, die sie flachlegten, kaum dass die Tür

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