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Zaehme mich

Zaehme mich

Titel: Zaehme mich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Maguire
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sie endlich durch die Tür kam.
    Jedes Mal durchfuhr es ihn wie ein Schock. Dass so eine Frau existierte – dass sie auf ihn zusteuerte und mit ihm sprechen wollte –, war immer wieder eine wunderbare Erfahrung.
    Sie küsste ihn auf die Wange, steckte sich eine Zigarette an, ließ sich auf den Stuhl gegenüber sinken, nahm einen Schluck Bier, verzog das Gesicht, weil es so abgestanden und warm war, und atmete laut aus. »Jamie, hör mal, du musst mir unbedingt was versprechen.«
    »Nur wenn du dich erst dafür entschuldigst, dass du mich zu dieser unchristlichen Zeit hierher beorderst und mich dann sechsundfünfzig Minuten warten lässt.«
    »Du solltest mir dankbar sein.« Sie blies ihm Rauch ins Gesicht. »Das ist zu deinem eigenen Besten.«
    »Dankbar wofür?«
    »Dass ich dich warne: Shelley ist ganz scharf aufs Heiraten.«
    »Du spinnst doch.«
    »Jamie, versprich mir einfach, dass du sie nicht heiratest.«
    »Wie kommst du denn auf diesen Blödsinn?« Er lachte.
    Heiraten! Bei Mike war das okay, der war immerhin schon an die dreißig und hatte ein eigenes Haus, aber Jamie und Shelley waren erst zweiundzwanzig. Und das Ganze war doch eigentlich nichts Ernstes. Bloß … Neulich hatte Shelley geweint, als er sich am Abend von ihr verabschiedete. Was hatte sie gleich wieder gesagt? Dass er sie nur benutzte und dass er sich nicht einmal die Mühe machte, mit ihr zu reden oder nett zu ihr zu sein, wenn sie nicht gerade im Schlafzimmer waren. Das stimmte überhaupt nicht. Jamie war immer nett zu ihr. Außer sie hatte eine ganz andere Vorstellung von Nettsein. Außer sie wartete die ganze Zeit, wenn sie zusammen waren, nur darauf, dass Jamie etwas machte, was ihm bis zu diesem Augenblick noch nie eingefallen war.
    »Hat sie gesagt, sie will heiraten?«
    Sarah nickte. »Sag mir einfach, dass du das nicht mit dir machen lässt.«
    »Natürlich nicht. Ich will nicht … Ich meine, eines Tages schon, aber nicht jetzt und nicht … ich weiß nicht mal, ob ich … ich glaube schon, dass ich sie liebe, aber
    …«
    »Versprich es mir.«
    Er sah ihr in die Augen. »Ich verspreche, dass ich Shelley nicht heirate.«
    Sie nickte. »Braver Junge.«

5
    Vor fünfeinhalb Jahren, als Sarah noch bei ihren Eltern wohnte, hatte sie eine Postkarte bekommen. Es war der erste Zustelltag nach den Weihnachtsferien, der zwei Tage vor Sarahs sechzehntem Geburtstag lag, und daher befanden sich mehrere an Sarah adressierte Karten im Briefkasten.
    Die erste stammte von Sarahs Großmutter mütterlicherseits. Das Bild vorn zeigte einen Strauß mit rosafarbenen und gelben Blumen, und drinnen stand ein Gedicht über erblühende Weiblichkeit. Die zweite Karte war von Tante Glad und Onkel Rick. Auch sie hatte ein Blumenbild drauf, aber das Gedicht fehlte zum Glück. Der Text lautete einfach: Alles Liebe zum Sechzehnten. Auch ihre Großeltern väterlicherseits hatten eine Karte geschickt. Sie lebten in Tasmanien, und Sarah war ihnen noch nie begegnet, doch jedes Jahr bekam sie eine Geburtstagskarte und zwanzig Dollar. Dieses Jahr fand sie in dem Umschlag noch einen zusätzlichen Fünfdollarschein.
    »Hey, Mum. Grandma und Grandpa Clark haben mir diesmal fünfundzwanzig Dollar geschickt. Anscheinend haben sie verstanden, dass ich mehr Geld brauche, weil ich jetzt erwachsen bin.«
    Ihre Mutter blickte von ihrem Buch auf. »Mit sechzehn ist man noch nicht erwachsen, Sarah, und wenn das wieder auf eine Diskussion darüber hinauslaufen soll, dass du dir einen Job suchen willst, dann spar dir lieber deinen Atem.«
    »Ich will nur ein bisschen Geld zum Ausgeben haben.
    Du sagst doch immer, dass wir lernen müssen, was Verantwortung und Selbständigkeit ist.« In Wirklichkeit brauchte Sarah Geld für Schnaps und Gras und Kleider, die nicht ihre Mutter ausgesucht hatte.
    »Ich will nichts mehr davon hören, Sarah. Wenn du mit dem Studium fertig bist, kannst du dir einen Job suchen, vorher nicht. Ende der Diskussion.« Ihre Mutter wandte sich wieder ihrer Lektüre zu.
    Schmollend riss Sarah den letzten Umschlag auf. Die Karte war weiß mit einer einzigen langstieligen goldenen Rose als Motiv. Drinnen standen ordentlich geneigte, schwarze Buchstaben: Süße sechzehn und … unvergessen.
    Sarah stockte der Atem. Es gab keine Unterschrift und auch – sie sah noch mal auf dem Umschlag nach – keinen Absender, doch Sarah kannte diese Handschrift so gut wie ihre eigene. In der gleichen Handschrift war ihr einmal mitgeteilt worden: Du bist ein Star und

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