Zaehme mich
alles dreht sich um Sex, Sarah. Die meisten Dinge drehen sich nicht um Sex. Die Tatsache, dass du selbst in einem völlig harmlosen Buch einen sexuellen Subtext findest, ist doch nur ein Beweis mehr – den ich wirklich nicht brauche –, dass du ein ernstes Problem hast.«
Sarah schloss ihr Buch und legte es auf das andere, das er hingeworfen hatte. »Und der Grund, warum deine Laune heute so besonders reizend ist – gehört der auch zu den vielen, vielen Dingen, die sich absolut nicht um Sex drehen?«
»Willst du jetzt arbeiten oder mir die Zeit stehlen?«
»Sprich mit mir.«
»Worüber?« Er rieb sich die Augen. Zigarettenrauch reizte ihn, doch er beklagte sich nie. Aber Sarah wusste es und hatte ihn umso lieber dafür.
»Das will ich von dir hören.«
Jamie biss sich auf die Unterlippe. Seine Stirn legte sich in Falten, und er sah aus, als würde er gleich in Tränen ausbrechen. Scheiße. Sie hasste es, wenn er weinte. Dann wusste sie einfach nicht mehr, was sie tun sollte. Scheiße.
»Shelley ist schwanger.«
Sarah starrte, lachte, merkte, dass es kein Witz war, fluchte und lachte erneut. Dann stand sie auf und trat gegen das Sofa. »Verdammte Kacke.«
Jamie packte sie am Bein und zog sie nach unten. Sie legte ihm den Arm um die Schulter, und er lehnte den Kopf an sie.
Sarah sprach aus, was für alle Beteiligten hoffentlich das Naheliegende war. »Sie wird es abtreiben.«
»Nein.« Es war mehr ein Seufzen als ein Wort.
»Scheiße, was dann?«
»Wir heiraten. Ihr Dad schenkt uns das Geld, um eine Wohnung anzuzahlen.« Jamie presste das Gesicht an Sarahs Arm. Sie spürte seine Tränen durch den Pyjamastoff.
Verdammt, diese dumme Kuh. Am liebsten wäre Sarah rübergegangen, um Shelley persönlich zur Schnecke zu machen. Am besten, sie verpasste ihr einen ordentlichen Tritt in den Bauch oder sie schubste sie gleich die Treppe runter.
Die ganze Zeit wartete sie darauf, dass Jamie aufspringen und sagen würde, es war alles nur ein Scherz, aber er weinte nur, bis ihre ganze Pyjamajacke nass war.
»Ich wollte immer schon Kinder«, flüsterte Jamie. »Das weißt du doch, Sarah. Das hab ich immer gesagt. Es ist also, was ich wollte, nur früher. Es wird schon alles gut, denk ich mir. Ich muss mich nur erst an den Gedanken gewöhnen.«
Sarah streichelte seinen Hinterkopf und schwor sich, Shelley mit bloßen Händen das Herz aus dem Leib zu reißen. Sie würde es ihr rausreißen und es auf den Boden schmeißen und so lange darauf herumtrampeln, bis nur noch ein blutiger Klumpen übrig war.
6
In der ersten Augustwoche gaben Shelley und Jamie in ihrer neuen Wohnung eine kleine Dinnerparty, um das offensichtlich wunderbare Dreifachrisiko von Kredit, Verlobung und Schwangerschaft zu feiern. Die Party bestand aus zwei Blondinen, ihren frisch ins Netz gegangenen Männern und Sarah.
Jamie führte Sarah durch die Wohnung, die fast so klein war wie ihre, nur viel neuer. Sie gab anerkennende Laute von sich und tat so, als würde sie sich für ihn freuen, doch in ihrem Inneren kochte es. Dafür hatte Jamie sein Studium hingeschmissen. Dafür verkaufte er jetzt am Telefon Finanzdienstleistungen. Dafür hatte er dunkle Ringe unter den Augen.
»Du findest es furchtbar, stimmt’s?«, fragte er, als sie nicht den nötigen Enthusiasmus für die Aussicht vom Schlafzimmerfenster auf die Grünanlage der Siedlung aufbrachte.
»Nein, es gefällt mir. Ich bin neidisch. Die Wohnung ist viel schöner als meine. Aber sie kostet natürlich auch ein bisschen mehr, oder? Eine von Armut geplagte Studentin kann sich so was nicht leisten.«
»Meinst du, ich hätte an der Uni bleiben sollen?«
»Es ist einfach schade um dein Talent.«
Jamie zog die Jalousie zu und setzte sich auf den Bettrand. Sarah hörte Shelleys Gackern von irgendwo draußen auf dem Flur.
»Ich habe Verpflichtungen. Und solange ich diese Verpflichtungen habe, kann ich nicht studieren. Später, wenn sich die Lage etwas entspannt hat, kann ich wieder zurück an die Uni.« Jamie klang, als hätte er seinen Text auswendig gelernt.
Sarah schüttelte den Kopf. »Jamie, du kannst mir doch nicht weismachen, dass du das wirklich willst. Du bist hereingelegt worden und …«
»Doch, ich will es. Und von dir erwarte ich Unterstützung.«
Sarah setzte sich neben ihn und legte ihm die Hand aufs Knie. »Na gut, wenn du glücklich bist, bin ich auch glücklich.«
»Sehr überzeugend.«
»Ich bemühe mich.«
Lächelnd tätschelte ihr Jamie die Hand, und Sarah hätte
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