Zähmung der Wildkatze
Leidenschaft hatte ihn überrascht. Doch da war noch etwas anderes, etwas, dass er niemals zulassen wollte und seiner obersten Priorität völlig entgegenstand. Er wollte sie wiedersehen, unbedingt, doch das könnte gefährlich werden.
Stuart rief sich noch einmal diesen köstlichen Augenblick, wie Marie still und ruhig auf dem Holzboden gelegen hatte, zurück. Er erkannte diesen Anblick, hatte ihn unzählige Male zuvor erlebt nach einem erstmaligen Spiel mit Devoten, die frisch in der Szene waren. Aber dieser Anblick unterschied sich deutlich von dem, was er kannte. Schon immer war es faszinierend, diesen sonderbaren Glanz in ihren Gesichtern zu erleben, doch Marie wirkte so unendlich kostbar, verletzlich und offen, dass sein Herz in Besitz genommen wurde. Erneut zuckte sein Geschlecht vollerSehnsucht nach Erlösung gegen den beengenden Bund seiner Lederhose. Zum Finale einer Session nahm er sich die Devote, wenn er sich selbst nicht mehr beherrschen konnte. Doch Maries Anblick und Verletzlichkeit hatten den drängend Wunsch in ihm geweckt, sie zärtlich zu lieben. Der Blick in ihre dunkelgrünen Augen, noch genährt von dem Höhepunkt, Stuart hatte sich kaum daran satt sehen können. Seine Hand strich langsam über die Ausbuchtung und er schüttelte den Kopf. Diese süße Qual des Wartens bekam eine neue, sehr köstliche Note.
Noch immer stand Maries Auto da, wo sie eingestiegen war. Es wirkte seltsam angesichts dessen, das ihr eben noch Flucht und Panik im Gesicht anzusehen waren. Stuarts Neugier regte sich. Wohin fährt jemand wie sie, wenn er unsicher war und sich innerlich wund fühlte? Er wartete und statt einer eiskalten Dusche zog er sich ein frisches Hemd über. Er lauschte dem gestarteten Motor und stieg kurze Zeit später in seinen eigenen Wagen. Stuart folgte ihr durch die Stadt. Das House of Joe war eine private Pflegeeinrichtung für Menschen mit schweren Erkrankungen. Die Eigentümerin des Hauses hatte es nach ihrem verstorbenen Mann benannt. Die Presse hatte einen großen Bericht darüber gedruckt. Stuart wartete, bis Marie im Eingang verschwunden war, und setzte sich in Bewegung. Sie sprach kurz mit einer Pflegerin und setzte ihren Weg in den Garten fort. Aus einem Radio erklang ein Song von Joe Cocker und er sah einen alten Mann im Schatten einer Weide tanzen. Als Marie ihn erreichte, griff der alte Herr nach ihrem Gesicht und küsste sie auf die Lippen, wie es nur ein Liebhaber tat.
„Tanz mit mir, Liebling.“
Seine dünnen Arme legten sich um Maries Mitte und zogen den zierlichen Körper an die Brust. Er tanzte so eng mit ihr, dass Stuart spürte, wie ein Funke Eifersucht in ihm aufkeimte.
„Amy, mein Baby, erinnerst du dich noch? Wir haben auf dem Konzert im Schlamm gelegen und uns im Schlafsack geliebt, während alle um uns herum tanzten.“
Amy?
Stuarts Stirn legte sich in Falten, bis ihm einfiel, was Erica bei dem Dinner erzählt hatte.
„Sind die beiden nicht niedlich anzusehen? Marie kommt ihren Vater alle zwei Tage besuchen. Es ist nicht leicht, einem geliebten Menschen dabei zusehen zu müssen, wie er geistig immer mehr verkümmert. Es ist ihr schwergefallen, ihn hierher zu bringen. Sie hat ihn so lange es möglich war allein gepflegt.“ Die Pflegerin war hinter ihm stehen geblieben und schmunzelte ihn freundlich an. Stuart nickte.
„Wie schlimm steht es um ihn?“
„Es ist ein Wunder, dass er überhaupt noch lebt. Es ist selten, dass einMensch so früh an Alzheimer erkrankt und die meisten sterben bereits zirka sieben Jahren nach der Diagnose. Ausnahmen bestätigten die Regel in seinem Fall.“
Die beiden tanzten noch immer eng umschlungen. Maries Augen waren fest geschlossen und sie schmiegte sich mit einem wehmütigen Lächeln an die Brust ihres Vaters.
„War heute ein Brief von Dex in der Post?“
„Daddy, du weißt doch, er ruft eher an, als zu schreiben.“
„War heute ein Brief von Dex in der Post?“
Marie seufzte leise.
„Nein, er schreibt nie.“
Und Stuart ergänzte in Gedanken den Grund. Dex war der Spitzname ihres verstorbenen Bruders.
„Kleiner Keks, was hast du denn an?“
Der alte Mann wirbelte sie herum und betrachtete sie. Maries Vaters wirkte plötzlich wieder klar und weniger verwirrt. Marie lachte leise auf, als sie an sich hinunter sah und ihr bewusst zu werden schien, dass sie Stuarts Hemd noch trug. Es war ihr um einige Nummern zu groß und wirkte wie ein knielanges weißes Kleid. Schmunzelnd hob der Mann den Zeigefinger.
„Aber so
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