Zähmung der Wildkatze
genau wusste die Freundin das? Es gab schließlich gleich drei Perverse in diesem Haus, Stuart, Simon und George, der Chauffeur, wie Marie am Tag der Hochzeit von Erica feststellen durfte.
„Woher …“
„Die Hautzeichnungen stammen von einer kurzen breiten Peitsche, ichschätze, eine Hundepeitsche. Und ich kenne nur einen, der gern damit spielt.“
Es klang einleuchtend. Die Freundin hatte ihr von Georges Vorliebe für Englische Erziehung, sprich Rohrstock und Gerte, erzählt. Simon hingegen bevorzugte wohl eher seine Hände oder den Gürtel, und wer sonst außer Stuart besaß eine große Sammlung an Foltergeräten aus Leder, den sie beide kannten. Noch bevor Marie weiter fragen konnte, lächelte Erica über den Rand ihrer Tasse hinweg.
„Rohrstock oder Gerte hinterlassen wesentlich dünnere, wenn auch tiefere Wunden, eine Hundepeitsche ist breiter, weil sie mehr Fleisch trifft, so wie ein Gürtel.“
Wann war Erica eine Expertin dafür geworden? Wollte sie das eigentlich alles so genau wissen?
„Wie ist das Wetter draußen?“ Sie sah ihrer Freundin an, wie mies dieser Versuch klang, das Thema zu wechseln.
„Seit wann? Etwa seit der Hochzeit?“
Und wieder war es da, dieses freche Leuchten in diesen hübschen braunen Augen, wissend, was auf der Hochzeitsfeier zwischen Stuart und ihr geschehen war. Oft genug hatte Erica ihr die Sache unter die Nase gerieben und ein weiteres Mal wollte sie sich das nicht anhören.
„Der Abend im Restaurant, nach eurer Rückkehr …“
„Als er dich ignoriert hat? Du hast doch gesagt, er wäre dir egal und dich am Telefon so darüber aufgeregt. Wie konnte dir das passieren?“
„Er hat mich nicht ganz ignoriert.“
Sie hangelte nach ihrer Tasche, denn den Zettel mit der Nachricht, die im Grunde alles ausgelöst hatte, trug sie immer bei sich. Erica entfaltete das Stück Papier, las, bemühte sich, ernst zu bleiben und gab ihr die Notiz zurück.
„Ich habe ihn angerufen und zur Sau gemacht.“ Warum glühten ihre Wangen so? Marie nahm einen großen Schluck Kaffee, um nicht direkt weiterzureden.
„Und?“
Dann erzählte sie Erica alles von Anfang an, beginnend mit der Nacht auf der Hochzeitsfeier, dem Tag danach und wie es weiterging. Ihre Freundin hörte zu, schmunzelte hin und wieder, als hätte sie etwas geahnt.
„Aber warum hast du mir nichts erzählt? Ich weiß doch selbst, was das für einschneidende Veränderungen sind.“ Erica lachte verwirrt auf und strich sich eine dunkle Locke hinter ihr Ohr. „Ich hab dir doch auch alles von meiner kleinen Reise mit Simon erzählt und wie zwiespältig das anfangs für mich war. Das ist ein langsamer Prozess, bis man sich zurechtfindet. BDSM ist sehr breit gefächert und selbst ich hab noch nicht allmeine Fühler ausgestreckt. Gerade als Novizin stürzt so viel auf dich ein. Warte, jetzt begreife ich deine neugierigen Fragen. Das kam mir schon seltsam vor, weil du wenige Wochen davor noch den mütterlich tadelnden Zeigefinger gehoben hast und mich vor den bösen Perversen warnen wolltest. Das passte nicht zusammen … Marie, warum erzählst du mir so was nicht? Wenn du neugierig warst, dann …“
„Was dann? Hättest du mich in einen dieser dunklen einschlägigen Clubs geschleift, um mir zu zeigen, was Sadomasochismus bedeutet? Oder hättest du mich gleich persönlich über Simons oder Georges Knie gelegt? Erica, ich musste damit erst einmal selbst klarkommen, obwohl … da gab es eigentlich nichts zum klarkommen.“
„Aber da sind so viele neue Eindrücke und Empfindungen. Ich war damals froh, dass ich mit Simon über all das nachträglich immer sprechen konnte. Er hat immer sehr genau nachgefragt und vieles schon gewusst, bevor ich es überhaupt ausgesprochen habe. Das ist nicht einfach eine Kleinigkeit, wenn man plötzlich seine devote Neigung entdeckt. Gerade, weil die Gesellschaft so abweisend reagiert und man sich selbst erst einmal klarmachen muss, was das bedeutet. Du hättest doch mit mir reden können.“
„Erica, dieses Spiel ist ein Abenteuer, aufregend, heiß, erotisch und spannend. Ich muss nicht alles analysieren, wie du es immer tust. Das hast du schon immer getan. Aber das bist du, nicht ich. Sicher hab ich einiges an mir neu entdeckt und über mich erfahren, aber ich habe nicht danach gefragt. Ich gebe zu, als du mir von dir und Simon erzählt hast, habe ich überreagiert. Ich hätte nie gedacht, dass ich daran Spaß haben könnte. Es wäre mir auch nicht einmal im Traum eingefallen, das
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