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Zaertlich ist die Nacht

Zaertlich ist die Nacht

Titel: Zaertlich ist die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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denn ihre Augen waren zugeschwollen. »Wie lange wird das dauern?«, fragte sie mit kräftiger, tiefer Stimme. »Geht das für immer so weiter?«
    |283| »Es wird jetzt nicht mehr lange dauern. Doktor Ladislau sagt, dass inzwischen große Bereiche abgeheilt sind.«
    »Wenn ich wüsste, womit ich das verdient habe, könnte ich es mit Gleichmut ertragen.«
    »Es ist nicht gut, irgendwelche mystischen Gründe zu suchen   – wir haben es als nervöses Phänomen erkannt. Es ist etwas Ähnliches wie das Erröten   – als Sie noch ein junges Mädchen waren, sind Sie da leicht errötet?«
    Sie lag auf dem Rücken, das Gesicht zur Zimmerdecke gewandt. »Ich habe nichts gefunden, was des Errötens wert gewesen wäre, seit ich alle Zähne habe.«
    »Haben Sie nicht auch Ihre Fehler gemacht? Keine kleinen Sünden begangen?«
    »Ich habe mir nichts vorzuwerfen.«
    »Dann sind Sie ein glücklicher Mensch.«
    Die Frau dachte einen Augenblick nach; dann tauchte ihre von unterirdischen Melodien erfüllte Stimme aus den Verbänden auf ihrem Gesicht auf: »Ich teile das Schicksal vieler Frauen aus meiner Zeit, welche die Männer zum Kampf herausgefordert haben.«
    »Und zu Ihrer größten Überraschung war dieser Kampf genau wie alle anderen Schlachten«, erwiderte er in ähnlich förmlicher Diktion.
    »Genau wie alle anderen Schlachten.« Sie dachte darüber nach. »Man wählt eine Aufstellung, man erringt einen Pyrrhussieg oder man wird geschlagen und ruiniert   – man wird zum geisterhaften Echo von einer zerbrochenen Mauer.«
    »Sie sind weder geschlagen noch ruiniert«, sagte er. »Sind Sie sicher, dass Sie wirklich in einer Schlacht waren?«
    »Schauen Sie mich doch an!«, schrie sie wütend.
    »Sie haben gelitten«, sagte er. »Aber auch ehe sie sich für |284| Männer hielten, haben schon viele Frauen gelitten.« Die Unterhaltung wurde zum Streit, und er zog sich zurück. »Auf jeden Fall dürfen Sie einen einzelnen Fehlschlag nicht mit einer endgültigen Niederlage verwechseln.«
    »Schöne Worte«, schnaubte sie, und dieser durch eine Kruste von Schmerz herausgestoßene Widerspruch machte ihn wehrlos.
    »Wir würden gern über die eigentlichen Ursachen reden, die Sie hierhergebracht haben   –«, begann er, aber sie unterbrach ihn.
    »Ich bin hier als Symbol für etwas. Ich dachte, Sie wüssten vielleicht, was es ist.«
    »Sie sind krank«, sagte er mechanisch.
    »Was war es dann, was ich beinahe gefunden hätte?«
    »Eine noch größere Krankheit.«
    »Das ist alles?«
    »Das ist alles.« Mit Abscheu hörte er sich lügen, aber hier und jetzt konnte das gewaltige Thema nur zu einer Lüge komprimiert werden. »Jenseits davon ist nur Verwirrung und Chaos. Ich will Ihnen keinen Vortrag halten   – es ist ja nur zu deutlich, wie sehr Sie körperlich leiden. Aber wenn Sie die Dinge wieder an Ort und Stelle rücken wollen, dann gibt es nur eins: Sie müssen die Probleme des Alltags bewältigen, egal wie trivial und langweilig Sie Ihnen erscheinen. Danach sind Sie vielleicht auch wieder in der Lage«   – er war langsamer geworden, um das unvermeidliche Ende seines Gedanken nicht äußern zu müssen   – »die Grenzen des Bewusstseins zu sehen.«
    Jene Grenzen, die von den Künstlern erforscht werden müssen, waren nichts für sie, auf gar keinen Fall. Sie war feingesponnen und überzüchtet   – vielleicht würde sie irgendwann in einem stillen Mystizismus Ruhe finden. Entdeckungsfahrten |285| waren etwas für Menschen mit einem Schuss bäurischem Blut, mit starken Schenkeln und dicken Waden, die Schläge genauso hinnehmen konnten wie Salz und Brot, mit jedem Zoll ihres Körpers und ihrer Seele.
    – Das ist nichts für Sie, hätte er beinahe gesagt. Das ist ein zu hartes Spiel für Sie.
    Aber angesichts der schrecklichen Majestät ihrer Schmerzen war er ganz ohne Vorbehalt bei ihr, fast sexuell. Er hätte sie gern in den Arm genommen, wie er es schon so oft mit Nicole gemacht hatte, und dabei auch ihre Fehler liebevoll mit umarmt, weil sie ein wichtiger Teil von ihr waren. Das orangefarbene Licht, das durch die Jalousien hereindrang, ihre mumienhafte Gestalt auf dem Bett, der kleine, helle Fleck, der ihr Gesicht war, die Stimme, die in der Leere ihrer Krankheit herumsuchte und nur abstrakte Theorien fand.
    Als er aufstand, flossen die Tränen wie Lava in ihre Bandagen. »Es hat einen Sinn«, flüsterte sie. »Irgendetwas muss doch dabei herauskommen.«
    Er bückte sich und küsste sie auf die Stirn.
    »Wir müssen

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