Zaertlich ist die Nacht
zupfte an den gläsernen Weintrauben an ihrer Halskette. »Aber wir haben jetzt so
viel
Geld, dass man es wirklich nutzen sollte, um Nicole gesund zu machen.«
»Also ich sehe mich nicht in London.«
»Warum nicht? Ich denke, du kannst da genauso gut arbeiten wie überall sonst.«
Er lehnte sich zurück und betrachtete sie. Wenn sie den wahren Grund für Nicoles Krankheit kannte, dann war sie offenbar fest entschlossen, ihn vor sich selbst zu verleugnen, und hatte ihn in einer staubigen Kammer ihrer Seele vergraben wie ein schlechtes Gemälde, das sie aus Versehen gekauft hatte.
Sie setzten ihr Gespräch im »Ulpia« fort, wo Collis Clay sich an ihren Tisch setzte, und ein begnadeter Gitarrenspieler ›Suona Fanfara Mia‹ 2* herunterschrubbte, dass es in dem mit Fässern gefüllten Keller laut widerhallte.
»Es ist möglich, dass ich der falsche Mann für Nicole war«, sagte Dick. »Trotzdem hätte sie wahrscheinlich jemanden meines Schlages geheiratet, jemanden, von dem sie dachte, sie könnte sich für immer auf ihn verlassen.«
|330| »Denkst du, mit jemand anderem wäre sie glücklicher?«, überlegte Baby laut. »Das ließe sich arrangieren.«
Erst als Dick laut und hemmungslos zu lachen anfing, wurde ihr bewusst, wie lächerlich anmaßend ihre Bemerkung war.
»Ach, du weißt schon«, sagte sie. »Denk bitte nicht, dass wir undankbar wären für alles, was du getan hast. Wir wissen auch, dass es nicht leicht für dich war –«
»Also bitte!«, sagte er. »Es wäre etwas anderes, wenn ich Nicole nicht lieben würde.«
»Aber du liebst Nicole doch?«, fragte sie alarmiert.
Inzwischen fing auch Collis an zu begreifen, worum es bei dem Gespräch ging, und Dick wechselte eilig das Thema. »Wie wäre es, wenn wir über etwas anderes reden? Über dich zum Beispiel. Warum heiratest du eigentlich nicht? Wir haben gehört, du wärst mit Lord Paley verlobt, dem Cousin von –«
»Ach, nein.« Baby wurde schüchtern und ausweichend. »Das war letztes Jahr.«
»Und warum heiratest du nicht?«, wiederholte Dick hartnäckig.
»Ich weiß nicht. Einer der Männer, die ich geliebt habe, ist im Krieg gefallen, und der andere hat mich sitzen lassen.«
»Erzähl mir davon. Erzähl mir mehr von deinem Leben, Baby, und deinen Ansichten. Das hast du noch nie getan – wir reden immer nur über Nicole.«
»Es waren beides Engländer. Ich denke, es gibt keinen besseren Charakter auf der Welt als einen erstklassigen Engländer, oder nicht? Wenn es welche gibt, hab ich sie noch nicht getroffen. Dieser Mann – ach, es ist eine lange Geschichte. Ich hasse lange Geschichten, du nicht?«
|331| »Und wie!«, sagte Collis.
»Ach, nein – ich mag sie eigentlich, wenn sie gut sind.«
»Also, das kannst du wirklich, Dick. Du kannst eine Gesellschaft in Schwung halten, indem du hier und da einen kleinen Satz einwirfst. Ich finde, das ist eine tolle Begabung.«
»Es ist nur ein Trick«, sagte er milde. Das war jetzt schon das dritte Mal, dass er ihr widersprochen hatte.
»Natürlich lege ich Wert auf Etikette – ich möchte, dass die Dinge in gewissen Bahnen verlaufen und möglichst im großen Stil. Ich weiß, dass dir das nicht so wichtig ist, aber du musst zugeben, dass es ein Zeichen von Solidität bei mir ist.«
Dick machte sich nicht mal die Mühe, anderer Meinung zu sein.
»Ich weiß natürlich, dass die Leute sagen, Baby Warren rast in Europa herum, sucht eine Sensation nach der anderen und verpasst die besten Dinge des Lebens. Aber ich denke ganz im Gegenteil, dass ich einer der wenigen Menschen bin, die wirklich hinter dem Besten her sind. Ich habe die interessantesten Menschen meiner Zeit kennengelernt.« Ihre Stimme wurde vom blechernen Klirren einer weiteren Gitarren-Nummer verwischt, aber sie versuchte das Scheppern zu übertönen: »Ich habe nur sehr wenige große Fehler gemacht –«
›– aber dafür die ganz großen‹, Baby, dachte er.
Sie hatte den Spott in seinen Augen gesehen und wechselte endgültig das Thema. Es schien unmöglich für sie und Dick, über irgendwas einer Meinung zu sein. Aber irgendwie fand er sie durchaus bewundernswert, und er setzte sie mit einer Serie von Komplimenten am »Excelsior« ab, die sie strahlen ließ.
|332| Am nächsten Tag bestand Rosemary ganz entschieden darauf, Dick zum Mittagessen einzuladen. Sie gingen zu einer kleinen Trattoria, deren Besitzer früher in Amerika gearbeitet hatte, und aßen
Ham and Egg
mit Waffeln. Danach gingen sie
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