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Zaertlich ist die Nacht

Zaertlich ist die Nacht

Titel: Zaertlich ist die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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psychologischen Fall?«
    »Da ich dich als ganz normales Mädchen von einundzwanzig betrachte und wir im Jahre 1928 leben, gehe ich davon aus, dass du es schon mal mit der Liebe probiert hast.«
    »Das ist alles   – fehlgeschlagen 2* «, sagte sie.
    Das konnte Dick nicht recht glauben. Er wusste nicht, ob sie zwischen ihnen bewusst eine Barriere aufrichten oder eine etwaige Hingabe nur umso bedeutsamer machen wollte.
    »Lass uns auf dem Pincio spazieren gehen«, schlug er vor.
    |324| Er stand auf, rückte seine Kleider zurecht und strich sich die Haare glatt. Der Augenblick war gekommen und wieder gegangen. Drei Jahre lang war Dick das Ideal gewesen, an dem Rosemary andere Männer gemessen hatte und seine Gestalt hatte dabei unweigerlich ein heroisches Maß angenommen. Sie wollte nicht, dass er wie andere Männer sein sollte, und doch hatte sie dieselben dringlichen Forderungen bei ihm gespürt, als ob er etwas von ihr wegnehmen und in seiner Tasche davontragen wollte.
    Sie gingen zwischen Philosophen und Cherubim, Faunen und Springbrunnen über den Rasen. Behaglich schmiegte sie sich in seinen Arm, mit verschiedenen kleinen Korrekturen, als ob sie sich für immer dort einrichten wollte. Sie riss einen Zweig ab, fand aber darin keinen Frühling. Plötzlich sah sie in Dicks Gesicht, was sie wollte, und küsste seine behandschuhte Hand. Dann hüpfte sie kindisch um ihn herum, bis er lächelte und sie lachte, und so fingen sie an, Spaß miteinander zu haben.
    »Ich kann heute Abend nicht mit dir ausgehen, Liebling, weil ich das schon anderen versprochen habe vor langer Zeit. Aber wenn du morgen früh aufstehst, nehme ich dich mit zu den Dreharbeiten.«
    Er aß allein im Hotel, ging früh zu Bett und traf Rosemary am nächsten Morgen um halb sieben in der Eingangshalle des Hotels. Im Wagen neben ihm glühte sie frisch und neu in der Morgensonne. Sie fuhren durch die Porta San Sebastiano hinaus auf die Via Appia, bis sie zu einem riesigen Kolosseum aus Pappe kamen, das größer aussah als das echte. Rosemary übergab ihn an einen Mann, der ihn in den Riesenkulissen, zwischen den Bögen und Sitzreihen und der sandbedeckten Arena herumführte. |325| Sie selbst musste auf einer Bühne arbeiten, die einen Kerker für christliche Märtyrer darstellen sollte, und Dick durfte zusehen, wie ein gewisser Nicotera, einer von vielen hoffnungsvollen Valentino-Epigonen, vor einem Dutzend weiblicher Gefangener mit melancholischen, mascaraverschmierten Augen hin und her stolzierte und sich in Szene zu setzen versuchte.
    Dann erschien Rosemary in einer knappen Tunika.
    »Pass genau auf«, flüsterte sie Dick zu. »Ich würde gern wissen, was du davon hältst. Jeder, der die Muster gesehen hat, sagt   –«
    »Was für Muster?«
    »Na, wenn sie die Aufnahmen vom Vortag ansehen. Sie sagen, das ist das erste Kostüm, in dem ich Sexappeal habe.«
    »Also ich merke nichts.«
    »Du natürlich nicht! Aber ich hab welchen.«
    Nicotera in seinem Leopardenfell redete intensiv auf Rosemary ein, während der Beleuchter mit dem Regisseur sprach und sich dabei mit der Hand an ihm festhielt. Schließlich stieß der Regisseur die Hand heftig weg und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
    »Der ist mal wieder ganz schlecht drauf!«, sagte Dicks Führer.
    »Wer?«, fragte Dick, aber noch ehe der Mann antworten konnte, kam der Regisseur mit schnellen Schritten zu ihnen herüber.
    »Wer ist schlecht drauf?«, fragte er. »Sie sind selber schlecht drauf.« Er wandte sich voller Empörung an Dick, als ob der die Jury wäre. »Wenn er schlecht drauf ist, denkt er immer, die anderen wären schlecht drauf, und wie!« Er starrte den Führer noch einen Moment lang böse |326| an, dann klatschte er in die Hände: »Okay   – alle Mann auf den Set!«
    Es war wie ein Besuch bei einer großen, turbulenten Familie. Eine Schauspielerin kam auf Dick zu und redete fünf Minuten lang auf ihn ein, weil sie glaubte, dass er ein Schauspieler sei, der kürzlich aus London gekommen war. Als sie ihren Irrtum bemerkte, trippelte sie in panischem Entsetzen wieder davon. Die Filmleute fühlten sich der übrigen Welt gegenüber entweder weit überlegen oder weit unterlegen, aber das erstgenannte Gefühl überwog doch bei Weitem. Sie waren fleißige, tapfere Leute, und sie waren in einem Land zur Berühmtheit gelangt, das seit einem Jahrzehnt nur noch unterhalten werden wollte.
    Die Dreharbeiten wurden eingestellt, als es dunstig wurde   – für Maler ein schönes Licht,

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