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Zaertlich ist die Nacht

Zaertlich ist die Nacht

Titel: Zaertlich ist die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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Aufflammen brachte. Los Angeles schrie jetzt gewaltig nach Rosemary. Unerschrocken bewegte sie sich durch die Stadt der Kulissen und dünnen Trennwände. Sie wollte wieder zurück! Auf die Stimmung, in der Brady nach dem Abdrehen der Szene sein würde, hatte sie gar keine Lust.
    Sie stand immer noch unter diesem Bann, als sie das Gelände verließ. Die mediterrane Welt erschien ihr jetzt nicht mehr so stumm, seit sie wusste, dass es das Studio gab. Die Leute auf den Straßen gefielen ihr, und auf dem Weg zum Bahnhof kaufte sie sich ein Paar Espadrilles.
     
    Ihre Mutter war zufrieden, dass Rosemary ihren Auftrag erfüllt hatte. Trotzdem wollte sie ihre Tochter nach wie vor unter die Leute bringen. Mrs Speers wirkte äußerlich frisch, aber innerlich war sie müde. Totenbetten machen einen sehr müde, und sie hatte an zu vielen davon gewacht.

6
    Der Rosé beim Mittagessen hatte ihr gutgetan, und Nicole Diver kreuzte die Arme so hoch vor der Brust, dass die künstliche Kamelie an ihrer Schulter die Wange berührte, dann ging sie in ihren herrlichen Garten hinaus. Dieser Garten, in dem es keinen Rasen gab, war links und rechts vom alten Dorf begrenzt und fiel vom Haus bis zu den Klippen ab, die sich an seinem unteren Ende in zahlreichen Felsvorsprüngen ins Meer stürzten.
    Entlang der Mauer an der einen Dorfseite war alles staubig: die gewundenen Ranken, die Zitronen- und Eukalyptusbäume, die vergessene Schubkarre, die erst vor wenigen |44| Augenblicken dort abgestellt worden war, aber schon kraftlos und müde in sich zusammensank. Nicole wunderte sich jedes Mal, dass sie auf der anderen Seite an einem Beet mit Peonien vorbei in einen Bereich kam, der so kühl und grün war, dass sich die Blüten und Blätter in zarter Feuchtigkeit kringelten.
    Sie hatte sich ein lila Tuch um den Hals geschlungen, das selbst in der grellen Sonne noch einen farbigen Widerschein auf ihr Gesicht und einen lila Schatten auf ihre bewegten Füße warf. Ihr Gesicht war fest, ja, beinahe hart, wenn man von dem weichen Strahl mitleidigen Zweifels absah, der ihren grünen Augen entsprang. Ihr ehemals blondes Haar war dunkel geworden, aber jetzt, mit vierundzwanzig, war sie schöner als früher mit achtzehn, als ihr Haar heller gewesen war als sie selbst.
    Einem Weg folgend, der von einem zarten Blütenschleier entlang der weißen Begrenzungssteine bezeichnet war, gelangte sie zu einem Platz, der weit aufs Meer hinaussah. Hier waren Feigenbäume, in denen Lampions schliefen, ein großer Tisch mit Korbstühlen und ein Sonnenschirm vom Markt in Siena um eine riesige Pinie versammelt, den größten Baum, den es im Garten gab. Dort verharrte sie einen Moment und blickte, während sie einem von lauten Beschuldigungen und Klagen begleiteten Streit im Kinderzimmer zuhörte, geistesabwesend auf die Kapuzinerkresse und Schwertlilien, die sich so wirr am Fuße des Baumes drängten, als ob sie versehentlich ausgesät worden wären. Als der Streit in der Sommerluft schließlich verhallt war, ging sie weiter   – durch ein Kaleidoskop von rosa Pfingstrosenwolken, schwarzen und braunen Tulpen und zerbrechlichen Rosen an blauen Zweigen, die so durchscheinend wie die Zuckerblumen im Schaufenster einer Konditorei |45| waren. Dann, als das Scherzo der Farben auf seinem Höhepunkt schien, brach es mittendrin ab.
    Feuchte Stufen führten zu einem etwa anderthalb Meter tiefer liegenden Brunnen hinab, dessen Einfassung selbst an den hellsten Tagen noch glitschig und nass war. Sie ging auf der anderen Seite wieder hinauf und betrat den Gemüsegarten; sie bewegte sich rasch, denn sie war gern aktiv, auch wenn sie oft den Eindruck von statischer und zugleich sinnlicher Ruhe erweckte. Das lag daran, dass sie nur wenige Worte kannte und keinem vertraute. In der Welt blieb sie meist ziemlich stumm und ließ ihren kultivierten Humor nur so gezielt spielen, dass ihr Beitrag zum Gespräch beinahe dürftig erschien. Aber sobald es Fremden bei dieser Sparsamkeit unbehaglich zu werden drohte, ergriff sie das Thema und stürmte damit davon, fieberhaft überrascht von der eigenen Courage   – nur um es alsbald wieder zurückzubringen und fallen zu lassen wie ein gehorsamer Jagdhund, der mehr geleistet hat, als er gemusst hätte.
    Als sie im verschwommenen grünen Licht des Gemüsegartens stand, kreuzte Dick ihren Weg, der zu seinem Arbeitszimmer im Gartenhaus ging. Nicole wartete, bis er vorbei war, dann ging sie an einer Reihe künftiger Salatköpfe zu einer kleinen

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