Zaertlich ist die Nacht
Persönlichkeit gerade in einem unverhofften Wechsel des Gesichtsausdrucks zeigen können, wurde die ausgeklügelte Perfektion der Villa Diana durch kleine Missgeschicke wie das plötzliche Erscheinen eines Hausmädchens im Hintergrund oder die Widerspenstigkeit eines Korkens erkennbar. Während die ersten Gäste die erwartungsvolle Erregung des Abends mitbrachten, verschwand die häusliche Stimmung des Tages nur langsam; ein Symbol dafür waren die Kinder der Divers, die noch mit ihrer Gouvernante beim Abendessen auf der Terrasse saßen.
»Was für ein schöner Garten!«, rief Mrs Speers aus.
»Das ist Nicoles Garten«, sagte Dick Diver. »Er lässt ihr keine Ruhe – sie beschäftigt sich ständig damit und sorgt sich um all seine Krankheiten. Jeden Tag erwarte ich, dass Braunfäule, Mehltau oder Apfelruß bei ihr zum Ausbruch kommen.« Er stieß mit dem Zeigefinger in Richtung Rosemary und sagte mit einer Leichtigkeit, hinter der sich scheinbar väterliches Interesse verbarg: »Ich werde Ihren Verstand retten und Ihnen einen Hut schenken, den Sie am Strand tragen können.«
Er steuerte sie vom Garten auf die Terrasse, wo er einen Cocktail ausschenkte. Earl Brady traf ein, der überrascht war, Rosemary hier zu entdecken. Sein Benehmen war |49| etwas milder als im Studio, so als habe er sich am Eingang verwandelt, aber Rosemary hatte ihn nur kurz mit Dick Diver verglichen und sich dann sofort für den Hausherrn entschieden. Im direkten Vergleich wirkte Brady schlecht erzogen und irgendwie krass; trotzdem spürte sie auch diesmal eine starke elektrische Reaktion auf seine Person.
Die Kinder, die sich von ihrem Abendessen im Freien erhoben, begrüßte er mit Vertrautheit: »Hallo, Lanier, wie wäre es mit einem Lied? Wollen Topsy und du mir nicht etwas vorsingen?«
»Was sollen wir singen?«, fragte der kleine Junge mit dem melodischen Akzent amerikanischer Kinder, die in Frankreich aufwachsen.
»Dieses Lied über meinen Freund Pierrot.«
Bruder und Schwester stellten sich ohne Scheu nebeneinander und ihre Stimmen stiegen süß und schrill in die Abendluft auf.
Au clair de la lune
Mon ami Pierrot
Prête-moi ta plume
Pour écrire un mot
Ma chandelle est morte
Je n’ai plus de feu
Ouvre-moi ta porte
Pour l’amour de Dieu.
Der Gesang endete und die Gesichter der Kinder glühten im letzten Sonnenlicht voller Stolz über ihren Erfolg. Rosemary hatte das Gefühl, dass die Villa Diana das Zentrum der Welt sei. Auf einer solchen Bühne musste einfach etwas Bemerkenswertes geschehen. Ihre heitere Stimmung wurde |50| noch heller, als sich die Pforte mit leichtem Klingeln erneut öffnete und die übrigen Gäste in einem ganzen Klumpen hereinströmten …
Die McKiscos, Mrs Abrams, Mr Dumphry und Mr Campion kamen zur Terrasse herauf, und Rosemary empfand eine scharfe Enttäuschung. Sie warf Dick einen hastigen Blick zu, als ob sie eine Erklärung für diese unpassende Mischung verlangen wollte. Aber sein Gesichtsausdruck zeigte nichts Ungewöhnliches. Er begrüßte seine neuen Gäste in stolzer Haltung und mit offensichtlicher Ehrerbietung vor ihren unbekannten, unendlichen Möglichkeiten, und Rosemary hatte inzwischen so großes Vertrauen zu ihm, dass sie die Anwesenheit der McKiscos sofort akzeptierte, so als hätte sie schon immer damit gerechnet, sie hier zu treffen.
»Wir haben uns in Paris kennengelernt«, sagte McKisco zu Abe North, der ihnen zusammen mit seiner Frau auf den Fersen gefolgt war. »Da haben wir uns sogar zweimal getroffen.«
»Ja, ich erinnere mich«, sagte Abe.
»Und wo ist das gewesen?«, fragte McKisco, unfähig, es dabei zu belassen.
»Also, ich glaube –«, Abe hatte das Spielchen satt. »Ich weiß es nicht mehr.«
Der kleine Wortwechsel führte zu einer Pause, und Rosemarys Instinkte besagten, dass jetzt sofort von irgendwem etwas Taktvolles gesagt werden müsste, aber Dick unternahm keinerlei Anstrengung, die Gruppe der Spätankömmlinge aufzulösen oder auch nur Mrs McKisco von ihrer albernen Munterkeit zu befreien. Er löste dieses gesellschaftliche Problem deshalb nicht, weil er wusste, dass es ganz unwichtig war und sich bald ganz von selbst erledigen würde. Er sparte sich seine Frische für größere Anstrengungen |51| auf und wartete auf einen bedeutsameren Zeitpunkt, um seinen Gästen bewusst zu machen, wie gut es ihnen hier ging.
Rosemary stand neben Tommy Barban, der voller Hohn und Spott zu sein schien, was aber einen speziellen Grund hatte: Er würde am
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