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Zaertlich ist die Nacht

Zaertlich ist die Nacht

Titel: Zaertlich ist die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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sah mit lächelndem Spott zu. Diese körperliche Angeberei für Rosemary fand sie wirklich ärgerlich.
    Als die Männer lange genug auf dem Brett gestanden hatten, um ihr Gleichgewicht zu finden, ging Dick in die Knie, schob seinen Nacken in den Schritt des anderen Mannes, griff von unten her nach dem Seil und begann vorsichtig aufzustehen.
    Die Leute im Boot bemerkten sofort, dass er Schwierigkeiten hatte. Er stützte sich jetzt auf ein Knie, und der Trick bestand darin, sich mit einem einzigen Schwung aufzurichten. Er ruhte sich einen Augenblick aus, dann sah man, wie sein Gesicht sich verkrampfte, als er jede Faser seines Herzens anspannte, um die Last hochzuheben.
    Das Brett war schmal, und obwohl der junge Mann weniger als siebzig Kilo wog, begann er zu schwanken und |430| klammerte sich ungeschickt an Dicks Kopf fest. Als Dick sich mit einer letzten Anstrengung seines Rückens aufrichtete, rutschte das Brett seitlich weg und die beiden Männer fielen ins Wasser.
    »Wunderbar!«, schrie Rosemary. »Sie haben es beinahe geschafft.«
    Aber als sich das Boot den beiden Schwimmern näherte, brauchte Nicole nur einen Blick auf das Gesicht ihres Mannes zu werfen, um seinen Ärger zu sehen. Es erstaunte sie nicht, denn vor zwei Jahren hatte er den Trick noch ganz ohne Mühe beherrscht.
    Beim zweiten Mal war er vorsichtiger. Er richtete sich zunächst nur ein kleines Stück auf, um das Gleichgewicht seines Partners zu prüfen, und senkte sich dann noch einmal auf sein Knie. Erst dann grunzte er:
»Allez hopp!«
und fing an, sich aufzurichten. Aber noch ehe er ganz gerade stand, knickten plötzlich seine Beine ein und er musste hastig das Brett beiseitestoßen, um nicht getroffen zu werden, als sie ins Wasser fielen.
    Als das Boot diesmal zurückkam, war es für alle erkennbar, dass Dick wütend war.
    »Macht es Ihnen was aus, wenn ich’s noch mal versuche?«, fragte er wassertretend. »Diesmal haben wir’s beinahe geschafft.«
    »Na klar. Nur zu.«
    Nicole fand, dass er schon ziemlich grün um die Kiemen aussah, und deshalb rief sie: »Meinst du nicht, dass es für heute reicht?«
    Er gab keine Antwort. Sein Partner hatte inzwischen genug und wurde ins Boot gezogen. An seine Stelle trat jetzt zuvorkommenderweise der Mexikaner, der bisher das Boot gelenkt hatte.
    |431| Er war deutlich schwerer als der erste Mann. Als das Boot schneller wurde, blieb Dick einen Augenblick bäuchlings auf dem Brett liegen, um Kraft zu sammeln. Dann schob er sich unter den Mann und packte das Seil. Nicole sah, wie seine Muskeln sich spannten.
    Aber es gelang ihm nicht aufzustehen. Nicole sah, wie er seine Haltung veränderte, aber sobald das Gewicht seines Partners auf seinen Schultern lag, konnte er sich nicht mehr rühren. Er versuchte es noch einmal   – hob seine Last um ein, zwei Zentimeter   – Nicole spürte, wie sich die Poren auf ihrer Stirn öffneten, als sie sich mit ihm anstrengte   – dann versuchte er nur noch, seine Position beizubehalten, plumpste mit einem Knall zurück auf die Knie und dann kippten sie um, wobei das Brett beinahe gegen Dicks Kopf geprallt wäre.
    »Schnell zurück!«, rief sie dem Fahrer zu, aber noch während sie das sagte, sah sie, wie Dick unterging, und stieß einen kleinen Schrei aus. Aber er kam schnell wieder hoch und legte sich auf den Rücken. Außerdem schwamm der Mexikaner zu ihm hin, um zu helfen. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis das Boot sie erreichte, aber als sie endlich längsseits kamen und Nicole ihren Mann erschöpft und ausdruckslos im Wasser treiben und den Himmel anstarren sah, wurde aus ihrer Panik Verachtung.
    »Wir helfen Ihnen rauf, Doktor   … nimm seinen Fuß   … okay   … jetzt alle zusammen   …«
    Keuchend saß Dick im Boot und starrte ins Nichts.
    »Ich wusste gleich, du hättest es nicht versuchen sollen«, konnte sich Nicole nicht verkneifen.
    »Er hat sich bei den ersten beiden Versuchen zu sehr angestrengt«, sagte der Mexikaner.
    »Es war von Anfang an töricht«, beharrte Nicole.
    |432| Rosemary schwieg taktvoller Weise.
    Nach einer Minute kam Dick wieder zu Atem und keuchte: »Ich hätte keine Puppe mehr hochheben können.« Ein prustendes Lachen entspannte die von seinem Fehlschlag verdorbene Stimmung. Alle waren sehr freundlich zu Dick, als er am Landesteg ausstieg. Nur Nicole war ärgerlich   – alles, was er tat, ärgerte sie mittlerweile.
    Sie setzte sich mit Rosemary unter einen Sonnenschirm, während Dick zum Büfett ging   – kurz

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