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Zaertlich ist die Nacht

Zaertlich ist die Nacht

Titel: Zaertlich ist die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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aber sie stellte mit Befriedigung fest, dass Rosemary eine Spur weniger schlank als sie selbst war. Nicole schwamm in kleinen Kurven herum und hörte dem Mädchen |427| zu, das Freude, Amüsement, Erwartung und insgesamt viel mehr Selbstvertrauen zeigte als vor vier Jahren.
    »Ich vermisse meine Mutter so, aber ich treffe sie am Montag in Paris.«
    »Vor vier Jahren warst du das erste Mal hier«, sagte Dick. »Was für ein komisches kleines Ding du warst in deinem Bademantel aus dem Hotel.«
    »Wie du dich an solche Dinge erinnern kannst! Das hast du schon immer getan   – und immer an die netten Sachen.«
    Nicole sah, wie das alte Spiel der Schmeicheleien wieder begann und tauchte erst einmal unter. Als sie wieder hochkam, hörte sie: »Ich werde einfach so tun, als wäre heute noch damals und ich noch ein Mädchen von achtzehn. Bei euch habe ich mich so glücklich gefühlt   – bei dir und Nicole. Ich sehe euch immer noch da auf dem Strand sitzen, unter einem von diesen Sonnenschirmen   – die nettesten Leute, die ich je kennengelernt habe und wahrscheinlich jemals kennenlernen werde.«
    Als sie davonschwamm, erkannte Nicole, dass Dicks Herz nicht mehr ganz so schwer war. Sein Flirt mit Rosemary brachte seine alte Geschicklichkeit im Umgang mit Menschen wieder zum Vorschein wie ein leicht angelaufenes Schmuckstück; ›wenn er jetzt noch etwas trinkt‹, dachte Nicole, ›wird er ihr gleich etwas vorturnen und angestrengt Kunststücke für sie vollführen, die er früher mit Leichtigkeit absolviert hat.‹ Sie hatte bemerkt, dass er dieses Jahr zum ersten Mal keine hohen Sprünge vom Turm mehr gemacht hatte.
    Als sie schon auf dem Weg zum anderen Floß war, überholte Dick sie auf einmal. »Ein paar von Rosemarys Freunden haben ein Motorboot. Willst du Wasserski 2* fahren? Das könnte lustig werden.«
    |428| Sie lächelte, so wie sie über Lanier gelächelt hätte. Schließlich hatte Dick früher Handstand auf einem Stuhl gemacht, der am Ende des Bretts festgeschraubt war. Im letzten Sommer waren sie auf dem Zuger See Wasserski gefahren, und Dick hatte einen Neunzig-Kilo-Mann auf seine Schultern gestemmt. Frauen heiraten nun einmal alle Talente ihrer Männer mit, und sind dann auf Dauer nicht mehr so beeindruckt davon, wie sie aus Höflichkeit tun, aber Nicole hatte nicht einmal so getan, als ob sie beeindruckt wäre, obwohl sie immer wieder »ja, ja« und »toll, toll« gesagt hatte.
    Sie wusste, dass er eigentlich müde war und dass die bevorstehenden Übungen nur Rosemarys erregender Jugend geschuldet waren. Sie hatte beobachtet, dass er von den jungen Körpern ihrer Kinder ähnlich motiviert worden war, und fragte sich jetzt ziemlich kühl, ob er sich wohl zum Narren machen würde. Die Divers waren älter als die anderen, die mit im Boot saßen. Die jungen Leute waren höflich und ehrerbietig, aber Nicole spürte durchaus die unterschwellige Frage: »Wer sind diese Leute eigentlich?« Sie vermisste Dicks gewohnte Fähigkeit, die Situation mühelos unter Kontrolle zu bringen, damit alle sich wohlfühlten   – aber er konzentrierte sich viel zu sehr auf das, was er vorführen wollte.
    Als sie zweihundert Meter von der Küste entfernt waren, wurde der Motor gedrosselt, und einer der jungen Männer machte einen Hechtsprung ins Wasser. Er schwamm auf das ziellos an der Leine herumgewirbelte Brett zu, hielt es fest, kletterte hinauf und kniete sich hin   – dann, als das Boot beschleunigte, kam er zum Stehen. Er lehnte sich zurück und ließ sein leichtes Gefährt schwerfällig hin und her schwingen, wobei er mal links und mal rechts bis zu |429| den Seitenwellen des Bootes hinauspendelte. Schließlich ließ er das Halteseil los, als er direkt hinter dem Boot war, balancierte noch für einen kurzen Moment auf dem Brett wie eine Bronzestatue und verschwand dann mit einem glorreichen Rückwärtssalto im Wasser. Als unbedeutender Kopf kam er wieder hoch, während das Boot langsam zu ihm zurückkurvte.
    Nicole weigerte sich, als sie an der Reihe war; Rosemary fuhr eine brave, konservative Runde und wurde von ihren Verehrern bejubelt. Drei von ihnen stritten sich um die Ehre, ihr wieder ins Boot helfen zu dürfen, und schafften es in ihrem Übereifer, dass sie sich an der Bordwand das Knie und die Hüfte aufschürfte.
    »So, jetzt Sie, Doktor«, sagte der Mexikaner am Steuer.
    Dick und der letzte junge Mann sprangen über Bord und schwammen auf das Brett zu. Dick wollte seinen Hebe-Trick versuchen, und Nicole

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