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Zaertlich ist die Nacht

Zaertlich ist die Nacht

Titel: Zaertlich ist die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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Monaten nicht mehr gefahren«, protestierte er.
    »Ich habe nicht vergessen, wie’s geht.« Ohne einen Blick auf Rosemary, deren Gesicht sehr heftig »reagierte«, verließ Nicole den Schatten des Sonnenschirms.
    Im Badehaus zog sie sich um, ihre Miene war immer noch so hart wie eine Bronzeplakette. Aber als sie auf die Straße unter die Bögen der Pinien kam und die Atmosphäre sich änderte, entspannte sie sich und fühlte sich neu und glücklich. Ein Eichhörnchen sprang über die Zweige davon, der Wind zupfte an den Blättern, ein Hahn krähte in der |438| Entfernung, das Sonnenlicht kroch durch die reglosen Äste   – und die Stimmen vom Strand wurden leiser. Ihre Gedanken waren so klar wie gute Glocken   – sie hatte das Gefühl, auf neue Art geheilt zu sein. Ihr Ich begann zu blühen wie eine große, üppige Rose, als sie sich durch die Labyrinthe zurückkämpfte, in denen sie seit Jahren herumgeirrt war. Sie hasste den Strand, so wie alle Orte, an denen sie nur ein Planet gewesen war, der um Dicks Sonne kreiste.
    ›Hey, ich bin fast wieder ganz‹, dachte sie. ›Ich stehe jetzt schon praktisch allein, ohne ihn.‹ Sie ahnte vage, dass Dick es genauso für sie geplant hatte. Und wie ein glückliches Kind, das so schnell wie möglich erwachsen sein möchte, warf sie sich aufs Bett, sobald sie nach Hause kam, und schrieb einen kurzen, provokativen Brief an Tommy Barban in Nizza.
     
    Aber ihre Zuversicht hielt nur während des Tages   – gegen Abend verringerte sich unweigerlich die nervöse Energie, ihre Stimmung sank und in der Dämmerung flogen die Pfeile des Zweifels. Sie hatte Angst vor dem, was in Dicks Kopf vorging; erneut hatte sie das Gefühl, dass er einen Plan hatte, und vor seinen Plänen hatte sie Angst   – sie funktionierten meist gut und waren von einer allumfassenden Logik, gegen die Nicole sich nicht wehren konnte. Seit Jahren hatte sie alles Denken ihm überlassen, und wenn er nicht da war, wurden all ihre Handlungen davon bestimmt, was er wohl gewollt hätte. Daher fühlte sie sich jetzt nicht in der Lage, ihre Absichten gegen seine zu stellen.
    Aber jetzt musste sie selbst denken; sie kannte jetzt endlich die Hausnummer jener schrecklichen Tür zu den Fantasien, die Schwelle zur Flucht, die keine Flucht war; sie wusste, dass es jetzt und in der Zukunft die größte Sünde |439| gewesen wäre, wenn sie sich selbst betrogen hätte. Es war ein langer Unterricht gewesen, aber sie hatte ihre Lektion gelernt. Entweder du denkst   – oder andere müssen für dich denken, und dann nehmen sie dir die Kraft, verbiegen deine natürlichen Vorlieben, zivilisieren und disziplinieren dich und machen dich unfruchtbar.
    Das Abendessen war ruhig. Dick trank viel Bier und machte Späße mit den Kindern im dämmrigen Zimmer. Danach spielte er Schubertlieder und ein bisschen neuen Jazz aus Amerika; Nicole beugte sich über seine Schulter und summte mit ihrer heiseren, süßen Alt-Stimme mit.
    Thank y’ father-r
    Thank y’ mother-r
    Thanks for meeting up with another   –
    »Das gefällt mir nicht«, sagte Dick und wollte die Seite umblättern.
    »Ach, spiel’s doch!«, rief sie. »Oder soll ich mein ganzes restliches Leben bei dem Wort ›Vater‹ zusammenzucken?«
    Thank the horse that pulled the buggy that night!
    Thank you both for being just a bit tight   –
    Später saßen sie mit den Kindern auf dem maurischen Flachdach und betrachteten das Feuerwerk von zwei Casinos, die weit voneinander entfernt an der Küste lagen. Es war einsam und traurig, mit so leerem Herzen nebeneinanderzusitzen.
     
    Als sie am nächsten Morgen vom Einkaufen in Cannes zurückkam, fand Nicole eine Nachricht von Dick. Darin |440| hieß es, er habe den kleinen Wagen genommen, um ein paar Tage allein in die Provence zu fahren. Noch während sie las, klingelte das Telefon   – es war Tommy Barban aus Monte Carlo. Er habe ihren Brief gelesen und komme jetzt zu ihr. Sie spürte die Wärme ihrer Lippen im Hörer, als sie sein Kommen begrüßte.

8
    Sie badete und salbte sich und bedeckte ihren Körper mit feinem Puder, während ihre Zehen weiteren Puder auf einem Handtuch zertraten. Sie musterte die Linien ihrer Flanken mit mikroskopischer Genauigkeit und fragte sich, wann das feine, schlanke Gebäude wohl beginnen würde, zu erschlaffen und erdwärts zu sinken. In sechs Jahren vielleicht, aber jetzt bin ich noch gut genug   – mindestens genau so gut wie jede andere, die ich kenne.
    Das war nicht übertrieben. Der

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