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Zaertlich ist die Nacht

Zaertlich ist die Nacht

Titel: Zaertlich ist die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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Menschen wissen das meist.«
    »Sind Sie Kommunist?«
    »Ich bin Sozialist«, sagte McKisco. »Ich sympathisiere mit Russland.«
    »Und ich bin Soldat«, erwiderte Barban gelassen. »Mein Geschäft ist es, Leute zu töten. Ich habe gegen die Rifkabylen gekämpft, weil ich Europäer bin, und ich habe die Kommunisten bekämpft, weil sie mir mein Eigentum wegnehmen wollen.«
    »Das ist ja wohl die bornierteste Ausrede   …«, sagte McKisco und sah sich erfolglos nach einem Verbündeten um. Er hatte keine Ahnung, worauf er sich einließ; denn er wusste weder, wie schlicht die Ideen waren, die Barban im Kopf hatte, noch wie ausgefeilt dessen Ausbildung war. McKisco wusste, was Ideen waren und hatte im Laufe seiner Entwicklung gelernt, immer mehr davon zu erkennen und auseinanderzuhalten. Angesichts eines Mannes, den er für »dumm« hielt und bei dem er keine vernünftigen Ideen erkennen konnte, dem er sich aber auch nicht direkt überlegen fühlte, gelangte er zu dem Schluss, dass Barban das Endprodukt einer archaischen Welt war   – und damit wertlos. |60| Seine Begegnungen mit der herrschenden amerikanischen Klasse hatten ihm vor allem deren ungeschickten Snobismus bewiesen, ihre Begeisterung für die Ignoranz und ihre absichtliche Ruppigkeit, die sie ungeprüft von der englischen Oberschicht übernommen hatte, ohne sich jemals zu fragen, welchen Zweck sie in England erfüllten. Dabei hatte das arrogante Banausentum   – das seinen Höhepunkt in der sogenannten
Harvard manner
von 1900 erreichte   – in einem Land, wo man mit ein bisschen Bildung und Höflichkeit so viel erreichen konnte, gar nichts zu suchen. McKisco dachte, dass Barban auch so ein Typ wäre, und weil er betrunken war, hatte er völlig vergessen, dass er eigentlich Angst vor ihm hatte   – und das hatte ihn in die jetzige heikle Lage gebracht.
    Rosemary schämte sich vage für Mr McKisco, während sie darauf wartete, dass Dick Diver endlich zurückkehrte. Innerlich brannte sie, saß aber nach wie vor äußerlich völlig gelassen mit Barban, McKisco und Abe North an der verlassenen Tafel. Als sie den von schattenhaften Myrten und Farnen gesäumten Gartenweg hinauf zur Terrasse blickte, verliebte sie sich in das Profil ihrer Mutter vor einer erleuchteten Tür und wollte fast schon hinaufgehen, als Mrs McKisco vom Haus heruntergerannt kam.
    Sie platzte förmlich vor Aufregung. Schon ihr dramatisches Schweigen, die starren Augen und mahlenden Kiefer, mit denen sie sich auf einen Stuhl setzte, verrieten, dass sie mit Neuigkeiten geladen war. Aller Augen wandten sich ihr zu, und als ihr Ehemann fragte: »Was gibt’s, Violet?«, schien das nur allzu natürlich.
    »Ach herrje   –«, sagte sie unbestimmt und wandte sich schließlich an Rosemary. »Eigentlich ist es nichts, meine Liebe. Ich kann wirklich nicht darüber sprechen.«
    |61| »Sie sind unter Freunden«, sagte Abe North.
    »Nun ja, meine Lieben, ich bin da oben in eine Szene hineingeraten   –«
    Geheimnisvoll schüttelte sie den Kopf und brach gerade noch rechtzeitig ab, denn Tommy war aufgestanden und sagte in aller förmlichen Schärfe: »Es empfiehlt sich nicht, die Vorgänge in diesem Hause zu kommentieren.«

8
    Violet holte einmal laut und tief Atem, ehe sie es schaffte, ihren Gesichtsausdruck wieder zu normalisieren.
    Endlich kam Dick zurück und mit sicherem Instinkt trennte er Tommy Barban und die McKiscos, indem er gegenüber McKisco eine große Neugier und Ahnungslosigkeit hinsichtlich der neueren Literatur zeigte   – was diesem die dringend benötigte Gelegenheit gab, seine Überlegenheit zu beweisen. Die anderen machten sich nützlich, indem sie halfen, Laternen nach oben zu tragen, und wem würde es keine Freude machen, mit Lichtern durchs Dunkel zu gehen? Auch Rosemary half dabei, wobei sie geduldig die unerschöpfliche Neugier Royal Dumphrys befriedigen musste, der gar nicht genug über Hollywood fragen konnte.
    ›Jetzt‹   – dachte sie   – ›habe ich es verdient, ein bisschen mit ihm allein zu sein. Das muss er doch wissen, denn seine Gesetze sind dieselben wie Mutters Gesetze.‹
    Rosemary hatte recht   – alsbald löste Dick sie aus der Gesellschaft auf der Terrasse und sie waren allein auf dem Weg zu der Mauer über dem Meer, der weniger aus einzelnen Stufen als vielmehr aus unregelmäßigen räumlichen |62| Intervallen bestand, durch die sie teils gezogen und teils auf Flügeln getragen wurde.
    Dann blickten sie auf das Meer hinaus. Tief unter ihnen

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