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Zaertlich ist die Nacht

Zaertlich ist die Nacht

Titel: Zaertlich ist die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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schwebte ein letztes Ausflugsboot über die Bucht wie ein freigelassener Luftballon, der am Unabhängigkeitstag in den Himmel entschwindet. Lautlos glitt es dahin und teilte sanft die dunklen Fluten zwischen den Schatten der
Îles de Lérins
.
    »Ich verstehe jetzt, warum Sie so von Ihrer Mutter sprechen, wie Sie das tun«, sagte er. »Sie hat Ihnen gegenüber eine sehr schöne Einstellung, finde ich, und besitzt eine Klugheit, die selten ist in Amerika.«
    »Mutter ist vollkommen«, betete Rosemary.
    »Ich habe ihr von einem Plan erzählt   … Sie hat gesagt, wie lange Sie in Frankreich bleiben, hinge von Ihnen ab.«
    Nein, von
dir
, hätte sie beinahe laut gesagt.
    »Hier unten ist jetzt praktisch alles vorbei, und   –«
    »Vorbei?«, fragte sie.
    »Na ja, hier sind die Dinge vorbei   – dieser Teil des Sommers ist jetzt vorbei. Letzte Woche ist Nicoles Schwester gefahren, morgen wird Tommy Barban abreisen. Abe und Mary North werden am Montag folgen. Vielleicht haben wir diesen Sommer noch Spaß, aber dieser spezielle Spaß hier ist vorbei. Ich wollte, dass er mit einem Knall endet, statt einfach sentimental zu verdämmern   – deshalb habe ich diese Party gegeben. Worauf ich hinauswill, ist Folgendes: Nicole und ich fahren mit nach Paris, um Abe North nach Amerika zu verabschieden   – und ich wollte fragen, ob Sie uns begleiten wollen.«
    »Was hat denn Mutter gesagt?«
    »Sie schien es für gut zu halten. Sie selbst will aber nicht mitkommen. Sie will, dass Sie alleine mitfahren.«
    |63| »Ich war nicht mehr in Paris, seit ich erwachsen bin«, sagte Rosemary. »Ich würde es gern mit Ihnen zusammen sehen.«
    »Das ist nett, dass Sie das sagen.« Bildete sie es sich ein, oder klang seine Stimme jetzt plötzlich blechern? »Natürlich waren wir vom ersten Augenblick an begeistert, als Sie zum Strand kamen. Ihre Lebendigkeit schien uns sehr professionell   – besonders Nicole war sich ganz sicher. Wir waren uns darüber einig, dass Sie sich niemals nur an einen Menschen oder eine Gruppe verschwenden würden.«
    Ihre Instinkte schickten dringende Warnungen aus: Er versucht, dich an Nicole weiterzugeben, schrien sie. Deshalb zog sie die Bremse und sagte genauso entschieden: »Ich wollte Sie auch alle kennenlernen   – aber vor allem Sie. Ich habe Ihnen ja gesagt, dass ich mich sofort in Sie verliebt habe, als ich Sie gesehen habe.«
    Sie hatte recht, die Dinge so direkt anzugehen. Aber dieser Platz zwischen Himmel und Erde hatte sein Gemüt abgekühlt und die Spontaneität zerstört, die ihn dazu verleitet hatte, sie hierherzubringen. Er merkte plötzlich, dass der allzu offensichtliche Reiz des Ortes, das Ringen mit den unvertrauten Worten und die Auseinandersetzung mit der improvisierten Szene sie überforderten.
    Jetzt versuchte er sie zurückzulenken zum Haus. Das war schwierig, denn er wollte sie dabei nicht verlieren. Aber sie spürte nur den kalten Luftzug, als er lachend sagte: »Sie wissen offenbar nicht, was Sie wollen. Gehen Sie und fragen Sie Ihre Mutter.«
    Rosemary war tief getroffen. Sie berührte ihn, der glatte Stoff seiner dunklen Jacke erschien ihr wie ein Messgewand. Fast wäre sie auf die Knie gefallen   – und aus dieser Lage feuerte sie ihren letzten Schuss ab. »Ich finde, Sie sind |64| der wunderbarste Mensch, dem ich je begegnet bin   – außer meiner Mutter.«
    »Sie haben romantische Augen.« Sein Lachen wehte sie bis zur Terrasse hinauf, wo er sie an Nicole übergab   …
    Nur allzu bald war es Zeit, nach Hause zu gehen, und die Gastgeber sorgten dafür, dass es schnell ging. Im großen Isotta der Divers würden Mrs Abrams, die McKiscos und Campion, sowie Tommy Barban und sein Gepäck Platz finden   – er wollte die Nacht im Hotel verbringen, um am nächsten Tag einen frühen Zug zu erwischen. Earl Brady wollte Rosemary und ihre Mutter auf dem Weg nach Monte Carlo im Hotel absetzen, und weil der andere Wagen schon zu voll war, nahm er auch Royal Dumphry mit. Unten im Garten glühten die Lampen noch über dem Tisch, an dem sie gesessen hatten, als die Divers Seite an Seite im Tor standen. Nicole blühte und füllte mit ihrer Anmut die Nacht, während Dick jeden einzelnen mit seinem Namen verabschiedete. Es schnitt Rosemary tief ins Fleisch, dass sie wegfahren und die Divers in ihrem Haus zurücklassen musste. Erneut fragte sie sich, was Mrs McKisco im Badezimmer gesehen hatte.

9
    Es war eine ölige, schwarze Nacht, die von einem einzelnen, matten Stern herunterhing

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