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Zaertlich ist die Nacht

Zaertlich ist die Nacht

Titel: Zaertlich ist die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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»Kann ich Ihnen helfen?«
    »Mir kann niemand helfen. Ich hab es gewusst. Ich hab ja selbst Schuld. Es ist immer dasselbe.«
    »Worum geht es denn   – möchten Sie es mir sagen?«
    Er sah sie an, als ob er das prüfen wolle.
    »Nein«, sagte er schließlich. »Wenn Sie älter sind, werden Sie erfahren, was Liebende leiden. Die Qualen. Es ist besser, jung und kalt zu sein, als zu lieben. Es ist mir schon früher passiert, aber noch nie so wie jetzt   – so beiläufig, gerade als alles so gut ging.«
    Im kräftiger werdenden Licht wirkte sein Gesicht abstoßend. Rosemary zeigte ihren plötzlichen Ekel vor dem, was sie sah, nicht mit dem kleinsten Zucken und Flackern ihrer Person. Aber Campion war zu empfindlich, um ihn nicht trotzdem zu spüren, und wechselte das Thema abrupt.
    »Abe North muss hier irgendwo sein.«
    »Aber der wohnt doch bei den Divers!«
    »Ja, aber er ist bereits unterwegs   – wissen Sie denn nicht, was passiert ist?«
    Zwei Stockwerke über ihnen wurde ein Fensterladen aufgestoßen |68| und eine englische Stimme zischte:
»Könn’ Sie vielleicht aufhören, hier ’rumzuschrein?«
    Demütig gingen Rosemary und Luis Campion die Treppe hinunter zu einer Bank an der Straße zum Strand.
    »Sie haben wirklich keine Ahnung, was vorgefallen ist? Eine höchst erstaunliche Sache   –« Er begann die Situation zu genießen, und hielt seine Offenbarung noch etwas zurück. »Es kam so plötzlich, ich hab so was noch nie erlebt. Gewalttätigen Menschen gehe ich grundsätzlich aus dem Weg. Sie machen mich so krank, dass ich manchmal tagelang im Bett bleiben muss.«
    Er sah sie triumphierend an, und sie hatte immer noch keine Ahnung, was er da redete.
    »Meine Liebe«, brach es aus ihm hervor, und weil er sich seiner so sicher war, lehnte er sich, als er ihren Oberschenkel berührte, mit dem ganzen Körper zu ihr herüber   – so als wollte er zeigen, dass dies kein bloßer ungeschickter Übergriff seiner Hand war. »Es wird ein Duell geben.«
    »W-as?«
    »Ein Duell mit   – die Waffen sind noch nicht festgelegt.«
    »Wer will sich denn duellieren?«
    »Ich erzähle es Ihnen von Anfang an.« Campion holte tief Luft und sagte dann, als wäre es ein Fehler von ihrer Seite, den er ihr aber nicht vorhalten wollte: »Sie waren natürlich im anderen Wagen. Na ja, in gewisser Weise hatten Sie Glück. Es kam so plötzlich   – bestimmt zwei Jahre meines Lebens hat mich das gekostet.«
    »Was kam?«, fragte sie.
    »Ich weiß gar nicht, womit es angefangen hat. Sie hat was gesagt   –«
    »Wer?«
    »Violet McKisco.« Er senkte die Stimme, als wären Zuhörer |69| unter der Bank. »Aber erwähnen Sie es bloß nicht gegenüber den Divers! Er hat Drohungen ausgestoßen gegen jeden, der etwas sagt.«
    »Wer?«
    »Tommy Barban. Also sagen Sie niemandem, dass ich die Divers auch nur erwähnt habe. Wir haben sowieso nicht erfahren, was Violet zu erzählen hatte, denn er hat sie die ganze Zeit unterbrochen. Dann hat sich ihr Mann eingemischt, und jetzt, meine Liebe, haben wir das Duell. Heute Morgen um fünf   – in einer Stunde.« Campion seufzte, weil er plötzlich wieder an seinen eigenen Kummer dachte. »Ich wünschte fast, dass ich es wäre. Jetzt, wo ich nichts mehr habe, wofür es sich zu leben lohnt, kann ich genauso gut sterben.« Er unterbrach sich und pendelte mit dem Oberkörper kummervoll vor und zurück.
    Erneut teilte sich der eiserne Fensterladen und dieselbe englische Stimme keifte:
»Also, das muss jetzt aber wirklich aufhören!«
    Gleichzeitig kam Abe North, der ziemlich verstört aussah, aus dem Hotel und sah sie vor dem weißen Himmel über dem Meer sitzen. Noch ehe er den Mund öffnen konnte, schüttelte Rosemary warnend den Kopf und sie setzten sich auf eine Bank, die vom Hotel noch etwas weiter entfernt stand. Rosemary sah, dass Abe ein bisschen betrunken war.
    »Weshalb sind
Sie
denn schon auf?«, fragte er.
    »Ich bin gerade erst aufgestanden.« Sie fing an zu lachen, aber dann dachte sie an die Stimme von oben und hielt sich zurück.
    »Heimgesucht von der Nachtigall 1* «, murmelte Abe und wiederholte dann: »Heimgesucht von der Nachtigall. Hat diese Klatschtante Ihnen erzählt, was passiert ist?«
    |70| »Ich weiß nur, was ich mit eigenen Ohren gehört habe«, sagte Campion würdevoll. Er stand auf und entfernte sich rasch. Abe setzte sich neben Rosemary.
    »Warum haben Sie ihn so schlecht behandelt?«
    »Hab ich das?«, fragte er überrascht. »Er hat den ganzen Morgen schon

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