Zaertlich ist die Nacht
zwischen Abscheu und Mitleid hin und her gerissen war, erklärte sie sich bereit, Abe North zu begleiten und sprang voll morgendlicher Energie mit ihm die Treppe hinauf.
McKisco saß auf dem Bett. Er wirkte sehr schmächtig, verärgert und blass. Seine alkoholisierte Streitlust war inzwischen verdunstet, trotz des Champagnerglases in seiner Hand. Er schien die ganze Nacht geschrieben und dabei getrunken zu haben. Er starrte Abe North und Rosemary verwirrt an und fragte: »Ist es Zeit?«
»Nein, erst in einer halben Stunde.«
Der Tisch war mit beschriebenen Blättern bedeckt, die er mühsam zu einem langen Brief zusammengefügt hatte; auf den letzten Seiten war die Schrift sehr groß und unleserlich. Im zarten Licht der verblassenden Glühlampen kritzelte er seinen Namen darunter, stopfte alles in einen Umschlag und gab ihn Abe North. »Für meine Frau.«
»Sie sollten Ihren Kopf in kaltes Wasser stecken«, schlug Abe vor.
»Glauben Sie wirklich?«, fragte McKisco. »Ich möchte nicht zu nüchtern werden.«
»Na ja, jetzt sehen Sie beschissen aus.«
Gehorsam ging McKisco ins Bad.
»Ich hinterlasse alles in schrecklicher Unordnung«, rief er ins Zimmer zurück. »Ich weiß nicht mal, wie Violet nach Amerika zurückkommen soll. Und eine Versicherung habe ich auch nicht. Ich bin einfach nicht dazu gekommen.«
»Reden Sie keinen Unsinn. In einer Stunde sitzen Sie hier beim Frühstück.«
»Ja, sicher, ich weiß.« Mit nassen Haaren kam er zurück und starrte Rosemary an, als ob er sie zum ersten Mal sähe. Plötzlich standen Tränen in seinen Augen. »Ich hab meinen |74| Roman nicht zu Ende geschrieben. Deswegen bin ich so unglücklich. Sie mögen mich nicht«, sagte er zu Rosemary, »aber das lässt sich nicht ändern. Ich bin in erster Linie ein literarischer Mensch.« Er machte ein mutloses, unbestimmtes Geräusch und schüttelte hilflos den Kopf. »Ich habe viele Fehler in meinem Leben gemacht – sehr viele. Aber ich war einer der prominentesten – jedenfalls in gewissem Sinne –«
Er gab es auf und zog an seiner erloschenen Zigarette.
»Ich mag Sie«, sagte Rosemary, »aber ich finde, Sie sollten nicht an einem Duell teilnehmen.«
»Ja, ich hätte versuchen sollen, ihn zu verprügeln, aber jetzt ist es nun mal so, wie es ist. Ich habe mich in etwas hineinziehen lassen, was gar nicht zu mir passt. Ich habe ein sehr hitziges Temperament –« Er warf Abe einen Blick zu, als ob er Widerspruch von ihm erwarte. Dann hob er mit einem fassungslosen Lachen den toten Zigarettenstummel an seine Lippen. Sein Atem beschleunigte sich.
»Das Problem war, ich hätte das Duell nicht vorschlagen sollen – wenn Violet bloß den Mund gehalten hätte, dann hätte ich alles noch einrenken können. Natürlich kann ich auch jetzt noch kneifen und abreisen, oder ich kann mich zurücklehnen und über die ganze Angelegenheit lachen – aber ich glaube, Violet würde nie wieder Respekt vor mir haben.«
»Doch«, sagte Rosemary. »Sie würde Sie nur noch mehr achten.«
»Nein – Sie kennen Violet nicht. Sie kann sehr hart sein, wenn sie mal die Oberhand hat. Wir sind seit zwölf Jahren verheiratet; wir hatten eine Tochter; sieben Jahre alt ist sie geworden, dann ist sie gestorben; und danach … Sie wissen ja, wie es ist. Wir haben beide ein bisschen herumgespielt, |75| Seitensprünge, nichts Ernstes, aber wir haben uns auseinandergelebt. Gestern Nacht, da draußen, hat sie mich einen Feigling genannt.«
Verstört wusste Rosemary nichts zu sagen.
»Nun, wir wollen sehen, dass sich der Schaden in Grenzen hält«, sagte Abe North. Er klappte das Lederköfferchen auf. »Das sind Barbans Duellpistolen. Ich habe sie mir kurz ausgeliehen, damit Sie sich damit vertraut machen können. Er hat sie immer in seinem Gepäck.« Er wog eine der archaischen Waffen in seiner Hand. Rosemary stieß einen unbehaglichen kleinen Schrei aus, McKisco betrachtete die Pistolen nervös.
»Na ja«, sagte er. »Ist ja nicht so, als ob wir uns hinstellen und uns mit Fünfundvierzigern abknallen würden.«
»Ich weiß nicht«, sagte Abe grausam. »Angeblich kann man mit einem langen Lauf besser zielen.«
»Wie sieht’s denn mit der Entfernung aus?«, fragte McKisco.
»Ich habe mich danach erkundigt. Wenn unbedingt eine der beiden Parteien sterben muss, nimmt man acht Schritte. Wenn sie richtig sauer sind, geht man auf zwanzig Schritte, und wenn es bloß um die Ehre geht, sind es vierzig. Sein Sekundant hat sich auf vierzig
Weitere Kostenlose Bücher