Zaertlich ist die Nacht
Schritte mit mir geeinigt.«
»Das ist gut.«
»In einem Roman von Puschkin 1* gibt es ein wunderbares Duell«, sagte Abe. »Dabei stehen beide an einem Abgrund, sodass sie in jedem Fall erledigt sind, wenn sie getroffen werden.«
Das erschien McKisco offenbar ziemlich weit hergeholt und akademisch. »Was?«, sagte er und starrte Abe mit leerem Blick an.
|76| »Wollen Sie vielleicht kurz ins Wasser, um sich zu erfrischen?«
»Nein, nein – ich kann jetzt nicht schwimmen.« Er seufzte. »Ich weiß nicht, was das alles soll«, sagte er hilflos. »Ich weiß nicht, warum ich das mache.«
Es war die erste konkrete Handlung, auf die er sich je eingelassen hatte. Eigentlich war er einer von denen, für die das körperliche, sinnliche Leben gar nicht existiert, und jede Konfrontation mit einer konkreten Tatsache erschien ihm als gewaltige Überraschung.
»Dann können wir jetzt genauso gut gehen«, sagte Abe, als er sah, wie der andere zusammensank.
»In Ordnung.« McKisco trank einen steifen Brandy, steckte die Flasche in seine Hüfttasche und sagte mit wilder Miene: »Was passiert, wenn ich ihn töte – werde ich dann ins Gefängnis geworfen?«
»Ich bringe Sie über die italienische Grenze.«
McKisco warf Rosemary einen Blick zu, dann sagte er entschuldigend zu Abe North: »Ehe wir losgehen, gibt es noch etwas, worüber ich mit Ihnen allein reden möchte.«
»Ich hoffe, dass keiner von Ihnen verletzt wird«, sagte Rosemary. »Ich finde das alles sehr töricht, Sie sollten das zu verhindern suchen.«
11
Campion saß unten in der verlassenen Hotelhalle. »Ich hab Sie hinaufgehen sehen«, sagte er aufgeregt. »Geht es ihm gut? Wann soll das Duell stattfinden?«
»Ich weiß nicht.« Sie fand es empörend, dass er darüber |77| redete, als ob es ein Zirkus wäre und McKisco der tragische Clown.
»Wollen Sie mit mir fahren?«, fragte er, als hätte er reservierte Plätze. »Ich hab den Wagen vom Hotel bestellt.«
»Ich will gar nicht hin.«
»Warum nicht? Es wird mich Jahre meines Lebens kosten, aber um alles in der Welt möchte ich das nicht verpassen. Wir könnten ja aus einiger Entfernung zusehen.«
»Warum fragen Sie nicht Mr Dumphry, ob er mit Ihnen fährt?«
Campion fiel das Monokel herunter, und diesmal gab es kein gekräuseltes Haar, um es aufzufangen. Mühsam zog er sich hoch.
»Ich will ihn nie wieder sehen.«
»Ich fürchte, ich kann nicht mitkommen. Mutter würde das nicht gefallen.«
Als Rosemary in ihr Zimmer zurückkam, rührte Mrs Speers sich verschlafen. »Wo bist du gewesen?«, rief sie.
»Hab nicht mehr schlafen können. Du kannst ruhig weiterschlafen.«
»Komm in mein Zimmer.« Rosemary hörte, wie ihre Mutter sich aufsetzte, ging zu ihr hinüber und erzählte ihr alles.
»Warum fährst du nicht mit und siehst es dir an?«, schlug Mrs Speers vor. »Du brauchst ja nicht in die Nähe zu gehen, und vielleicht kannst du hinterher helfen.«
Rosemary wollte nicht, ihr gefiel die Vorstellung nicht, dass sie dabei zusehen sollte. Aber Mrs Speers war noch etwas benommen und dachte wohl an die Nächte, als sie noch die Frau eines Arztes gewesen war und der Ruf zu Tod und Verderben ihr nicht fremd war. »Ich möchte, dass du auch ohne mich etwas unternimmst – auf eigene Initiative. |78| Für Rainys Werbegags 1* hast du viel gefährlichere Sachen gemacht.«
Rosemary wusste immer noch nicht, warum sie zu diesem Duell gehen sollte, aber auch diesmal gehorchte sie der entschiedenen, klaren Stimme, die sie zum Bühneneingang des Odéon in Paris geschickt hatte, als sie erst zwölf war, und die sie wieder in Empfang genommen hatte, als sie zurückkam.
Sie dachte, dass ihr der Ausflug erspart bliebe, als sie auf die Hoteltreppe kam und Abe mit McKisco davonfahren sah, aber schon im nächsten Augenblick kam der Wagen des Hotels um die Ecke. Luis Campion quietschte vor Begeisterung, als er sie zu sich hereinzog. »Ich hab mich versteckt, weil ich dachte, sie wollen uns vielleicht nicht dabei haben. Ich habe meine Filmkamera mitgenommen, wissen Sie.«
Wider Willen musste sie lachen. Campion war so schrecklich, dass er schon gar nicht mehr schrecklich, sondern einfach nur aller menschlichen Züge beraubt war.
»Wieso mag Mrs McKisco die Divers eigentlich nicht?«, fragte sie. »Sie waren doch sehr nett zu ihr.«
»Ach, das war’s gar nicht. Es ging um irgendwas, was sie gesehen hatte. Was es genau war, wissen wir nicht, wegen Barban.«
»Das war es also nicht, was Sie so traurig
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