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Zaertlich ist die Nacht

Zaertlich ist die Nacht

Titel: Zaertlich ist die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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gemacht hat.«
    »Oh nein«, sagte er mit brüchiger Stimme. »Da ging es um etwas anderes. Das ist erst passiert, als wir ins Hotel zurückkamen. Aber jetzt ist es mir völlig egal   – ich wasche meine Hände in Unschuld.«
    Sie folgten dem anderen Wagen die Küste entlang bis nach Juan-les-Pins, wo sich der Rohbau des neuen Casinos erhob. Es war inzwischen nach vier, und unter dem blaugrauen |79| Himmel fuhren die ersten Fischerboote knarrend hinaus auf das blaugrüne Meer. Sie bogen von der Hauptstraße ab und fuhren ins Hinterland.
    »Der Golfplatz«, rief Campion. »Ich bin sicher, da findet es statt.«
    Er hatte recht. Abes Wagen hielt vor ihnen an. Der Himmel im Osten war rot und gelb bekritzelt, was einen schwülen Tag versprach. Campion ließ den Chauffeur in einem Pinienhain halten. Er und Rosemary blieben im Schatten des Waldes und gingen am Rand des ausgebleichten Fairways herum, wo Abe und McKisco hin und her marschierten. Ab und zu hob McKisco den Kopf wie ein witterndes Kaninchen. Kurz darauf sah man zwei Gestalten an einem weit entfernten Abschlagpunkt auftauchen, und die beiden Beobachter erkannten Tommy Barban und seinen französischen Sekundanten, der den Koffer mit den Pistolen unter dem Arm trug.
    Erschrocken versteckte sich McKisco hinter Abe North und trank einen großen Schluck Brandy. Danach marschierte er hustend weiter und wäre wohl direkt in die andere Partei hineingerannt, wenn ihn Abe nicht gestoppt und dann mit dem anderen Sekundanten gesprochen hätte. Die Sonne stand jetzt über dem Horizont.
    Campion griff nach Rosemarys Arm. »Ich halte das nicht aus«, quiekte er beinahe stimmlos. »Das ist zu viel für mich. Das kostet mich   –«
    »Lassen Sie mich los«, protestierte Rosemary entschieden und hauchte ein französisches Stoßgebet.
    Die beiden Duellanten standen sich jetzt schussbereit gegenüber. Barban hatte sich den Hemdsärmel aufgerollt. Seine Augen glitzerten ruhelos in der Sonne, aber seine Bewegungen waren sehr überlegt, als er sich jetzt die Hand |80| an der Hosennaht abwischte. McKisco war inzwischen vom Brandy vollkommen enthemmt, er spitzte die Lippen zu einem Pfeifen, und seine Nase zeigte lässig in diese und jene Richtung.
    North trat vor, mit einem Taschentuch in der Hand. Der französische Sekundant hatte das Gesicht abgewandt. Rosemary hielt vor schrecklichem Mitleid die Luft an. Voller Hass auf Barban biss sie die Zähne zusammen.
    »Eins   – zwei   – drei!«, zählte North mit gespannter Stimme.
    Die beiden Männer feuerten gleichzeitig.
    McKisco schwankte, fing sich dann aber wieder. Beide Schüsse waren danebengegangen.
    »So, jetzt reicht’s!«, rief Abe North.
    Die Duellanten gingen aufeinander zu, und alle schauten Barban fragend an.
    »Ich erkläre, dass ich noch nicht befriedigt bin.«
    »Was?«, sagte Abe ungeduldig. »Natürlich bist du zufrieden. Du weißt es bloß nicht.«
    »Heißt das, dein Mandant weigert sich, noch mal zu schießen?«
    »Genau, Tommy. Du hast auf dieser Sache bestanden, und mein Mandant hat es durchgezogen.«
    Barban lachte verächtlich. »Der Abstand war lächerlich«, sagte er. »Ein solches albernes Theater bin ich nicht gewöhnt. Dein Mandant sollte sich darüber im Klaren sein, dass er hier nicht in Amerika ist.«
    »Spar dir deine Kommentare über Amerika«, sagte Abe scharf. Und dann etwas versöhnlicher: »Die Sache ist schon viel zu weit gegangen, Tommy.« Sie verhandelten noch eine Weile energisch, dann nickte Barban und verbeugte sich kalt vor seinem ehemaligen Widersacher.
    »Kein Händedruck?«, fragte der französische Arzt.
    |81| »Sie kennen sich schon«, sagte Abe North. Dann wandte er sich an McKisco. »Kommen Sie, wir gehen.«
    Als sie davonmarschierten, packte ihn McKisco in seinem Hochgefühl plötzlich am Arm.
    »Moment mal!«, sagte Abe. »Tommy will seine Pistole zurück. Womöglich braucht er sie noch mal.«
    McKisco gab sie ihm. »Zur Hölle mit ihm«, sagte er bullig. »Sagen Sie ihm, er kann   –«
    »Soll ich ihm sagen, dass Sie sich noch mal schießen wollen?«
    »Na ja, ich hab’s doch getan 2* «, sagte McKisco im Weitergehen. »Ich hab doch gar nicht schlecht abgeschnitten. Jedenfalls bin ich kein Feigling gewesen.«
    »Sie waren ziemlich besoffen«, sagte Abe trocken.
    »Nein, war ich nicht.«
    »Na schön, dann waren Sie’s eben nicht.«
    »Macht das denn einen Unterschied, ob ich einen Drink oder zwei hatte?« Während seine Zuversicht weiter wuchs, sah er North aufgebracht

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