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Zaertlich ist die Nacht

Zaertlich ist die Nacht

Titel: Zaertlich ist die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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an. »Was macht das schon für einen Unterschied«, wiederholte er.
    »Wenn Sie das nicht selbst wissen, brauche ich es Ihnen auch nicht zu erklären.«
    »Wissen Sie denn nicht, dass im Krieg alle ständig betrunken waren?«
    »Vergessen wir’s.«
    Aber die Episode war doch noch nicht ganz vorbei. Hinter ihnen ertönten hastige Schritte im Heidekraut und der Arzt sprach sie an.
    »Pardon, Messieurs«
, keuchte er.
»Voulez-vous régler mes honoraires? Naturellement c’est pour soins médicaux seulement. M.   Barban n’a qu’un billet de mille et ne peut pas les régler et l’autre a laissé son porte-monnaie chez lui«
.
    |82| »Das hätte ich mir denken können, dass ein Franzose das nicht aus dem Auge verliert«, sagte North, und dann zu dem Arzt:
»Combien?«
    »Lassen Sie mich das bezahlen«, sagte McKisco.
    »Nein, ich hab’s schon. Wir waren schließlich alle ungefähr in derselben Gefahr.«
    North bezahlte den Arzt, während McKisco sich plötzlich zur Seite drehte und in die Büsche kotzte. Anschließend stolzierte er etwas blasser als vorher mit North durch den rosigen Morgen zum Wagen.
    Campion lag keuchend auf dem Rücken im Unterholz, als einziges Opfer des Duells, während ihn Rosemary unter plötzlichem hysterischem Gelächter mit ihren Espadrilles bearbeitete. Sie trat so lange auf ihn ein, bis er sich wieder berappelte   – das Einzige, was sie jetzt interessierte, war die Tatsache, dass sie in ein paar Stunden am Strand die Person wiedersehen würde, die sie noch immer als »die Divers« bezeichnete.

12
    Sie saßen im »Voisin« und warteten auf Nicole: Rosemary, das Ehepaar North, Dick Diver und zwei junge französische Musiker. Sie beobachteten die anderen Gäste des Restaurants, um zu sehen, ob sie »innere Ruhe« besaßen. Dick hatte behauptet, außer ihm selbst kenne er gar keine Amerikaner, die innere Ruhe besäßen, und die anderen suchten jetzt nach einem Beispiel, um das Gegenteil zu beweisen. Es sah allerdings ziemlich düster für sie aus. Seit zehn Minuten hatte kein Mann das Lokal betreten, ohne mit der Hand sein Gesicht zu berühren.
    |83| »Wir hätten die gewachsten Schnurrbärte nie aufgeben sollen«, sagte Abe North. »Trotzdem ist Dick nicht der
einzige
Mann mit innerer Ruhe   –«
    »Doch, das bin ich.«
    »–   er ist allenfalls der einzige innerlich ruhige
nüchterne
Mann.«
    Ein gut gekleideter Amerikaner mit zwei Begleiterinnen war eingetreten, die unbekümmert um ihren Tisch herumflatterten. Plötzlich merkte der Mann, dass er beobachtet wurde   – und seine Hand schoss krampfhaft zu seiner Krawatte, um eine unsichtbare Falte zu glätten. Bei einer anderen Gruppe, die noch keinen Platz hatte, klopfte einer der Männer sich beständig auf seine rasierten Wangen, während der andere mechanisch einen kalten Zigarrenstummel zum Mund hob und wieder senkte. Die etwas Glücklicheren befingerten ihre Brillen und Bärte, während andere an ihren Mündern herumfummelten oder gar verzweifelt an ihren Ohrläppchen zupften.
    Ein bekannter General kam herein, und Abe hoffte sehr auf die strenge Erziehung von West Point   – wo man im ersten Jahr, von dem man sich nie mehr erholt, den Dienst als Kadett nicht quittieren darf   – und wettete mit Dick um fünf Dollar.
    In der Tat hingen die Hände des Offiziers ganz natürlich an seiner Seite, während er darauf wartete, dass man ihm einen Platz zuwies. Einmal schwangen seine Arme nach hinten, und Dick sagte: »Ah!«, weil er glaubte, dass der Mann die Kontrolle verloren habe. Aber der General fing sich wieder, und sie begannen schon wieder zu atmen, als der Kellner seinem Gast den Stuhl arrangierte und die qualvolle Spannung beinahe vorbei war   …
    Aber in diesem Moment packte den Eroberer eine wütende |84| Ungeduld: Seine Hand schoss nach oben und kratzte an seiner grauen, makellosen Frisur. 1*
    »Seht ihr«, sagte Dick selbstgefällig. »Ich bin der Einzige.«
    Rosemary war ohnehin davon überzeugt, und Dick, der merkte, dass er vielleicht nie wieder ein so dankbares Publikum haben würde, formte sie zu einer so glanzvollen Einheit, dass Rosemary nur eine ungeduldige Verachtung für alle empfand, die nicht an ihrem Tisch saßen. Seit zwei Tagen waren sie jetzt in Paris, aber im Grunde saßen sie immer noch unter den Sonnenschirmen am Strand. Wenn Rosemary die Umgebung allzu erschreckend erschien wie gestern beim Ball des russischen
Corps des Pages
– eine Mayfair-Party in Hollywood hatte sie schließlich auch

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