Zaertlich ist die Nacht
Yale, im selben Tonfall und mit derselben Emphase. Dick hatte den Eindruck gewonnen, dass Collis verliebt in Rosemary war, auf eine Art allerdings, die Dick nicht verstand. Die Geschichte mit Hillis schien Collis emotional nicht weiter beeindruckt zu haben, außer, dass er sich über die Feststellung freute, dass Rosemary »menschlich« war.
»Skull & Bones haben dieses Jahr tolle Leute«, erklärte er gerade. »Wir alle haben jetzt gute Leute. Yale ist inzwischen so groß, dass man sich nur noch Sorgen um die Leute machen muss, die man nicht aufnehmen kann.«
– Haben Sie etwas dagegen, wenn ich den Vorhang zuziehe?
–
Nein gar nicht, es ist hier drin viel zu hell.
Dick fuhr durch halb Paris zu seiner Bank, und während er einen Scheck auszufüllen begann, sah er sich die Männer an den Tischen an und überlegte, bei wem er ihn abzeichnen lassen sollte. Dann konzentrierte er sich ganz auf den Schreibakt, prüfte mit großem Aufwand den Federhalter und füllte das Formular auf dem glasbedeckten Pult sorgfältig aus. Nur einmal hob er die blicklosen Augen in Richtung der Postfächer, dann ließ er sein Inneres wieder erstarren, indem er sich ganz auf die Gegenstände konzentrierte, mit denen er umging.
Immer noch konnte er sich nicht entscheiden, wem er den Scheck vorlegen sollte, welcher von den Männern am wenigsten erraten würde, in welcher fatalen Stimmung er sich befand, und vor allem, welcher am ehesten den Mund |139| halten würde. Da war Perrin, der geschmeidige New Yorker, der ihn schon zum Lunch in den American Club eingeladen hatte; da war der Spanier Casasus, mit dem er immer über einen gemeinsamen Freund redete, obwohl dieser schon vor vielen Jahren aus seinem Leben verschwunden war; und dann gab es noch Muchhause, der ihn jedes Mal fragte, ob er das Geld von seinem eigenen Konto oder von dem seiner Frau haben wolle.
Als er den Betrag noch in den Kontrollabschnitt eingesetzt und zwei dicke Striche darunter gemacht hatte, wusste er, dass er zu Pierce gehen musste, der jung war und bei dem er nur eine kleine Vorstellung geben musste. Es war oft einfacher, selbst eine Vorstellung zu geben, als der eines anderen zuzusehen.
Als Erstes ging er zum Postschalter. Er beobachtete, wie die Frau, die ihn bediente, ein Stück Papier mit dem Busen stoppte, das beinahe von der Theke gesegelt wäre, und dachte darüber nach, dass Frauen ihre Körper ganz anders benutzen als Männer. Er ging etwas abseits, um seine Post durchzusehen: eine Rechnung für siebzehn psychiatrische Bücher von einem deutschen Verlag; eine Rechnung von der Buchhandlung Brentano; ein Brief aus Buffalo von seinem Vater, dessen Handschrift von Jahr zu Jahr unleserlicher wurde; eine in Fez abgestempelte Postkarte von Tommy Barban mit einer sarkastischen Botschaft; zwei Briefe in deutscher Sprache von Ärzten aus Zürich; eine strittige Rechnung von einem Stuckateur in Cannes; eine Rechnung von einem Möbelschreiner; ein Brief vom Verleger einer medizinischen Fachzeitschrift in Baltimore; verschiedene Ankündigungen; eine Einladung zur Vernissage eines aufstrebenden Künstlers; außerdem drei Briefe für Nicole und einer zu seinen Händen für Rosemary.
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– Haben Sie etwas dagegen, wenn ich den Vorhang zuziehe?
Er ging auf Pierce zu, aber der war gerade mit einer Kundin beschäftigt, und Dick sah aus den Augenwinkeln, dass er seinen Scheck Casasus am nächsten Tisch würde vorlegen müssen, der frei war.
»Wie geht’s, Mr Diver?« Casasus war jovial. Er stand auf, und sein Schnurrbart spreizte sich genauso breit wie sein Lächeln. »Wir haben vor ein paar Tagen von Featherstone gesprochen, da musste ich gleich an Sie denken – er ist jetzt drüben in Kalifornien.«
Dick machte große Augen und beugte sich etwas vor. »In
Kalifornien
?«
»Hab ich gehört.«
Dick hielt den Scheck bereit, und um die Aufmerksamkeit seines Gegenübers darauf zu lenken, blickte er hinüber zu Pierce. Er verdrehte die Augen – eine Anspielung auf einen drei Jahre alten Scherz, als Pierce ein Verhältnis mit einer litauischen Gräfin gehabt hatte. Pierce antwortete mit einem Grinsen, bis Casasus den Scheck bestätigt und keinen weiteren Grund hatte, Dick noch länger festzuhalten. Es blieb ihm nichts weiter übrig, als mit dem Zwicker in der Hand aufzustehen und noch einmal zu wiederholen: »Ja, er ist in Kalifornien.«
Inzwischen hatte Dick bemerkt, dass Perrin, der am vordersten Tisch saß, mit dem amtierenden
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