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Zaertlich ist die Nacht

Zaertlich ist die Nacht

Titel: Zaertlich ist die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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zusammen sein?«
    »Da siehst du, in welchem Zustand ich bin. Ich wäre jetzt gern bei dir.«
    Schweigen, dann ein Seufzer und schließlich die Antwort. »Ich wünschte auch, dass du bei mir wärst.«
    Der Raum, in dem sie hinter der Telefonnummer lag, war ein Hotelzimmer, und kleine Musikfetzen wehten um sie herum   …
    And two   – for tea.
    And me for you,
    And you for me
    Alone   … 2*
    Er dachte plötzlich an den leichten Puder auf ihrem gebräunten Gesicht   – als er ihr Gesicht geküsst hatte, war es am Haaransatz feucht gewesen; ihre weiße Haut |147| blitzte unter seinem Gesicht und die Wölbung der Schulter.
    »Es geht nicht«, sagte er zu sich selbst, und in der nächsten Minute war er schon auf der Straße und marschierte in Richtung Muette, oder vielleicht auch davon weg, mit der kleinen Aktentasche in der einen und dem goldbeknauften Spazierstock kampfbereit in der anderen Hand wie einen Säbel.
     
    Rosemary kehrte an ihren Schreibtisch zurück und beendete den Brief an ihre Mutter.
    »…   ich habe ihn nur kurz gesehen, aber ich fand, er sah großartig aus. Ich habe mich sofort in ihn verliebt (natürlich liebe ich Dick am meisten, aber Du weißt bestimmt, was ich meine). Er wird tatsächlich Regie bei dem Film führen und reist bald nach Hollywood ab. Ich glaube, wir sollten auch abreisen. Collis Clay war hier. Ich mag ihn, habe ihn aber wegen der Divers nicht oft gesehen, die wirklich himmlisch sind, wahrscheinlich die nettesten Leute, die ich je kennengelernt habe. Es geht mir heute nicht so besonders, und ich nehme fleißig die Medizin, obwohl ich keine Ahnung habe, wozu. Was hier alles passiert ist, kann ich Dir gar nicht beschreiben, ich warte damit, bis wir uns sehen!!! Also schick mir ein Telegramm, sobald Du den Brief kriegst! Kommst Du hier rauf, oder soll ich mit den Divers zu Dir herunterkommen?«
     
    Um sechs rief Dick bei Nicole an. »Hast du besondere Pläne?«, fragte er. »Hättest du Lust auf einen ruhigen Abend? Dinner im Hotel und dann vielleicht ein Theaterstück?«
    »Hast du denn Lust? Mir ist alles recht. Ich habe vor einer Weile mit Rosemary telefoniert, und sie will in ihrem Zimmer |148| zu Abend essen. Ich glaube, diese Sache hat uns alle ziemlich erschüttert, nicht wahr?«
    »Mich eigentlich nicht«, widersprach er. »Liebling, wenn du nicht zu müde bist, würde ich gern etwas unternehmen. Sonst fahren wir wieder zurück in den Süden und wundern uns eine Woche lang, warum wir Boucher nicht gesehen haben. Das wäre doch immerhin besser, als in unserem Zimmer zu brüten   –«
    Das war ein Schnitzer, und Nicole ließ es ihn spüren. »Brüten? Worüber?«
    »Na, über Maria Wallis.«
    Sie ließ sich dazu überreden, mit ihm ins Theater zu gehen. Es war eine Tradition bei ihnen, dass man nie zu müde für irgendwas sein durfte. Sie hatten festgestellt, dass es ihre Tage besser machte und die Abende in Ordnung brachte. Natürlich kam es vor, dass ihre Energie manchmal nachließ, aber dann schoben sie die Schuld auf die Erschöpfung und Müdigkeit anderer. Ehe sie das Hotel verließen   – ein schöneres Paar hätte man in ganz Paris nicht gefunden   – klopften sie noch leise an Rosemarys Tür. Es kam keine Antwort, daraus schlossen sie, dass sie schon schlief, und schritten hinaus in den warmen, lärmenden Abend, wo sie als Erstes einen Vermouth und Bitters in den milden Schatten von Fouquet’s Bar tranken.

22
    Nicole erwachte erst spät und murmelte noch etwas in ihren Traum zurück, ehe sie ihre langen, vom Schlaf verwirrten Wimpern aufschlug. Dicks Bett war leer   – erst nach |149| einer Minute wurde ihr bewusst, dass sie ein Klopfen geweckt hatte.
    »Entrez!«
, rief sie, aber es kam keine Antwort. Sie zog einen Morgenmantel an und ging an die Tür. Draußen stand ein uniformierter Polizist, der höflich grüßte, ehe er eintrat.
    »Mr Afghan North   – ist er hier?«
    »Was? Nein, der ist nach Amerika abgereist.«
    »Wann ist er abgefahren, Madame?«
    »Gestern Morgen.«
    Er schüttelte den Kopf und wedelte mit dem erhobenen Zeigefinger. »Letzte Nacht war er in Paris. Er hat sich hier angemeldet, aber sein Zimmer ist leer. Man hat mir gesagt, ich soll mich bei Ihnen erkundigen.«
    »Das klingt sehr merkwürdig   – wir haben ihn gestern Vormittag selbst zum Zug gebracht.«
    »Das kann ja sein, aber heute Morgen hat man ihn hier gesehen. Sogar sein Pass ist gesehen worden. Verstehen Sie?«
    »Wir wissen nichts von der Sache«, erklärte sie

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