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Zaertlich ist die Nacht

Zaertlich ist die Nacht

Titel: Zaertlich ist die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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waren noch einige andere Gäste in der Bar aufgetaucht: Der erste war ein gewaltiger Däne, den Abe schon irgendwo getroffen hatte. Er setzte sich auf die gegenüberliegende Seite des Raumes, und Abe vermutete, dass er den ganzen Tag dort bleiben würde, um zu trinken, seinen Lunch einzunehmen, zu reden oder die Zeitung zu |158| lesen. Abe spürte den Ehrgeiz, heute länger als dieser Däne zu bleiben. Um elf kamen die College Boys mit behutsamen Schritten, um sich nicht gegenseitig auf die schlabbrigen Hosen zu treten. Ungefähr um diese Zeit ließ Abe den Pagen bei den Divers anrufen; aber als er sie schließlich erreicht hatte, hatte er auch noch ein paar andere Freunde erreicht   – er fand, es wäre ein gute Idee, mit allen gleichzeitig auf verschiedenen Leitungen zu telefonieren, und das Ergebnis war sehr allgemein. Von Zeit zu Zeit kehrte sein Gehirn zu der Idee zurück, dass er Freeman aus dem Gefängnis holen müsste, aber das verdrängte er schließlich genau wie alle anderen Fakten als einen Bestandteil des Albtraums.
    Um eins war die Bar total überfüllt, aber trotz des Stimmengewirrs gelang es den Kellnern, den Zusammenhang zwischen Drinks und Bezahlung konsequent aufrechtzuerhalten.
    »Das wären dann zwei Stingers   … und noch einer   … zwei Martinis, noch einer   … für Sie nichts, Mr Quarterly   … das wären dann drei Runden   – fünfundsiebzig Franc, Mr Quarterly. Mr Schaefer hat gesagt, das wäre seine Runde   – Sie hatten die letzte   … Ich kann nur das tun, was Sie mir sagen   … oh, vielen Dank.«
    Im allgemeinen Chaos hatte Abe seinen Platz eingebüßt und stand jetzt leicht schwankend in der Menge, wo er sich mit Leuten unterhielt, die er gerade erst kennengelernt hatte. Ein Terrier rannte um seine Beine herum und verwickelte ihn in seine Leine, aber es gelang ihm mühelos, sich zu befreien, und er wurde zur Zielscheibe überschäumender Entschuldigungen. Man lud ihn zum Essen ein, aber er lehnte ab. Es sei schon beinahe Briglith 2* , erklärte er, und um Briglith müsse er etwas erledigen. Kurz darauf |159| verabschiedete er sich mit den exquisiten Manieren eines Alkoholikers, die denen eines Gefangenen oder eines Familiendieners ähneln, von einem Bekannten, drehte sich um und entdeckte, dass der große Augenblick des Tages genauso schnell vorbeigegangen war, wie er gekommen war.
    Ihm gegenüber hatten der Däne und seine Kumpane ihr Mittagessen bestellt. Abe folgte ihrem Beispiel, rührte das Essen aber kaum an. Dann saß er nur noch da und lebte in der Vergangenheit, ein Zustand, mit dem er völlig zufrieden war; denn der Alkohol machte glückliche Erlebnisse der Vergangenheit so gegenwärtig, als ob sie gerade erst stattfänden, ja, er verschob sie sogar in die Zukunft, so als könnten sie jeden Augenblick wieder passieren.
    Um vier Uhr sprach ihn der Page an: »Möchten Sie mit einem Farbigen namens Jules Peterson sprechen?«
    »Mein Gott! Wie hat er mich gefunden?«
    »Ich habe ihm nicht gesagt, dass Sie anwesend wären.«
    »Wer denn dann?« Abe fiel fast über die Gläser, fing sich dann aber wieder.
    »Er sagt, er wäre schon in allen Bars und Hotels der Amerikaner gewesen.«
    »Sagen Sie ihm, ich wäre nicht hier   –« Als der Page sich abwandte, rief Abe hinter ihm her: »Kann er hier reinkommen?«
    »Ich werde mal fragen.«
    Paul schüttelte den Kopf, als der Page ihn fragte; dann blickte er über die Schulter und als er Abe sah, kam er zu ihm herüber: »Tut mir leid, das kann ich nicht erlauben.«
    Abe erhob sich mit einiger Mühe und ging hinaus auf die Rue Cambon.

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    Mit seiner kleinen Ledertasche in der Hand wanderte Richard Diver vom siebten Arrondissement, wo er für Maria Wallis eine Notiz mit der Unterschrift »Dicole« hinterließ, jenem Namen, den er und Nicole sich in den ersten Tagen ihrer Liebe gegeben hatten. Dann ging er zu seinem Hemdenmacher, wo die Angestellten   – gemessen an den Summen, die er dort ausgab   – einen Riesenaufwand mit ihm betrieben. Er schämte sich, dass er diesen armen Engländern mit seinen guten Manieren und seiner Aura von Sicherheit so viel zu versprechen erschien, er schämte sich, dass er einen Schneider bitten musste, die seidenen Ärmel um zwei Zentimeter zu kürzen. Anschließend ging er in die Bar des »Crillon« und trank einen kleinen Kaffee und zwei Fingerbreit Gin.
    Als er das »Crillon« betrat, waren ihm die Korridore unnatürlich hell erschienen, und als er es wieder verließ, merkte

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