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Zaertlich ist die Nacht

Zaertlich ist die Nacht

Titel: Zaertlich ist die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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erst am Ende wird sie noch einmal lebendig. Es machte Dick traurig, Nicoles magere Freude zu sehen; dennoch war sie offenbar froh, in das einzige Heim zurückzukehren, das sie kannte. Sie küssten sich an diesem Tag nicht, aber als er sie vor der traurigen Tür am Zürichsee verließ und sie sich noch einmal zu ihm umdrehte, wusste er, dass ihre Probleme in Zukunft auch seine sein würden.

10
    Im September trank Doktor Diver in Zürich mit Baby Warren Tee.
    »Ich glaube, es ist keine gute Idee«, sagte sie. »Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich Ihre Motive richtig verstehe.«
    »Verzichten wir doch bitte auf Unhöflichkeiten.«
    »Ich bin schließlich Nicoles Schwester.«
    »Das gibt Ihnen keineswegs das Recht, sich schlecht zu benehmen.« Es irritierte Richard, dass er so vieles wusste, was er ihr nicht erklären konnte. »Nicole mag vielleicht reich sein, aber deswegen bin ich noch lange kein Abenteurer.«
    »Genau darum geht es«, beklagte Baby sich störrisch. »Nicole ist reich.«
    »Wie viel Geld hat sie denn genau?«, fragte er.
    Baby zuckte zusammen, und mit einem stummen Lachen sagte er: »Sehen Sie, wie albern das ist? Ich würde lieber mit einem Mann aus Ihrer Familie reden   –«
    »Man hat das alles mir überlassen«, beharrte sie. »Und wir denken auch nicht, Sie wären ein Abenteurer. Wir wissen einfach nicht, wer Sie sind.«
    |244| »Ich bin Doktor der Medizin«, sagte er. »Mein Vater ist Geistlicher, mittlerweile im Ruhestand. Wir haben in Buffalo gelebt, und meine Vergangenheit zu untersuchen steht jedermann frei. Ich habe in Yale studiert, und danach war ich ein Rhodes-Stipendiat. Mein Urgroßvater war Gouverneur von North Carolina und ich bin ein direkter Nachkomme von Mad Anthony Wayne 1* .«
    »Und wer war Mad Anthony Wayne?«, fragte sie misstrauisch.
    »Mad Anthony Wayne?«
    »Ich denke, es gibt schon genug Verrücktheit in dieser Angelegenheit.«
    Er schüttelte verzweifelt den Kopf, und in diesem Augenblick kam Nicole auf die Terrasse des Hotels heraus und suchte nach ihnen.
    »Er war zu verrückt, um so viel Geld zu hinterlassen wie Marshall Field«, sagte er.
    »Das ist ja alles schön und gut   –« Baby hatte recht, und sie wusste es. Im direkten Vergleich war ihr Vater nahezu jedem Geistlichen weit überlegen. Sie gehörten zur amerikanischen Aristokratie ohne Titel; ihr bloßer Name im Gästebuch eines Hotels, unter einem Empfehlungsschreiben oder als Argument in einer schwierigen Situation genügte vollkommen, um bei den Leuten eine psychologische Verwandlung hervorzurufen, und diese Reaktionen wiederum hatten ihr eigenes Statusbewusstsein geschärft. Sie hatte diese Dinge bei den Engländern gelernt, die sich nicht erst seit zweihundert Jahren mit so etwas auskannten. Was sie allerdings nicht wusste, war etwas anderes: dass Richard nämlich schon zweimal drauf und dran gewesen war, ihr die geplante Ehe um die Ohren zu hauen. Auch an diesem Septembernachmittag wurde sie nur dadurch gerettet, dass |245| Nicole sie entdeckte und sich weiß, frisch und strahlend neu an ihren Tisch setzte.
     
    Na, wie geht’s, Herr Rechtsanwalt 2* ? Wir fahren morgen für eine Woche nach Como und kommen dann wieder nach Zürich zurück. Deshalb wollte ich, dass du das mit meiner Schwester aushandelst, weil es ziemlich egal für uns ist, wie viel man mir zuerkennt. Wir werden in Zürich zwei Jahre lang in aller Stille leben, und Dick hat genug, um uns da zu versorgen. Nein, Baby, ich bin weitaus pragmatischer, als du denkst   – nur für Kleider und ein paar andere Sachen brauche ich etwas Geld   … Oh, das ist mehr, als ich   … Kann die Vermögensverwaltung sich das wirklich leisten, mir so viel zu geben? Das werde ich niemals ausgeben können, das weiß ich jetzt schon. Hast du auch so viel? Und wieso hast du mehr? Hat das damit zu tun, dass ich unzurechnungsfähig bin, angeblich? Na schön, dann können sich die Erträge auf meinem Anteil ruhig noch etwas aufhäufen   … Nein, Dick weigert sich, irgendetwas damit zu tun zu haben. Ich bin diejenige, die sich für uns beide als reiche Frau fühlen muss   … Baby, du hast wirklich noch weniger Ahnung von Dick als eine, eine   – So, wo muss ich jetzt unterschreiben? Ach, tut, mir leid.
    … Ist es nicht komisch und ein bisschen einsam, Dick, wenn man zusammen ist? Nirgendwo kann man hingehen, außer zusammen. Sollen wir uns einfach nur lieben und lieben? Ach, aber ich liebe dich mehr, und das merke ich, sobald du auch nur das

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