Zaertlich ist die Nacht
schon zu spät wäre. Wir müssen mein Geld ausgeben und ein Haus kaufen – ich habe es satt, in Wohnungen zu sitzen und auf dich zu warten. Du langweilst dich in Zürich, und findest doch nicht die Zeit, um zu schreiben, dabei sagst du doch immer, es ist ein Zeichen von Schwäche bei einem Wissenschaftler, wenn er nicht schreibt. Ich werde mir die ganze Wissenschaft ansehen und dann ein Spezialgebiet raussuchen, über das ich genau Bescheid weiß, und an dem ich mich festhalten kann, wenn ich wieder mal durchdrehe. Du wirst mir dabei helfen, Dick, damit ich mich nicht so schuldig fühle. Wir werden in der Nähe von einem warmen Strand leben, wo wir braun werden und jung zusammen sein können.
… Das hier wird Dicks Arbeitszimmer. Die Idee kam uns beiden zugleich. Wir waren schon dutzende Male an Tarmes vorbeigekommen, und dann sind wir raufgefahren und |249| haben festgestellt, dass die Häuser hier leer standen, bis auf zwei Ställe. Als wir das Gelände gekauft haben, hat uns ein Franzose geholfen. Und dann hat die französische Marine plötzlich Geheimdienstleute hier raufgeschickt, als sie gemerkt haben, dass Amerikaner einen halben Hügel am Meer gekauft hatten. Sie haben das Baumaterial nach Kanonen durchsucht, und am Ende musste Baby ein paar Strippen im
Ministère des Affaires Ètrangères
in Paris für uns ziehen.
Im Sommer kommt kein Mensch an die Riviera, wir werden viel arbeiten und hoffen, gelegentlich Gäste zu haben. Ein paar Franzosen sind da – letzte Woche die Mistinguet, sie war sehr überrascht, das Hotel offen zu finden, und Picasso und der Mann, der ›Pas sur la Bouche‹ geschrieben hat.
… Dick, warum hast du »Mr und Mrs Diver« ins Gästebuch geschrieben, statt »Doktor und Mrs Diver«? Ich hab mich nur ein bisschen gewundert – es ging mir so durch den Kopf. – Du hast mich gelehrt, dass die Arbeit alles ist, und ich glaube dir. Du hast immer gesagt, ein Mann muss etwas wissen; wenn er aufhört, Dinge zu wissen, dann ist er wie jeder andere. Und das Entscheidende ist, Macht zu erlangen, ehe man aufhört, etwas zu wissen. Wenn du alles auf den Kopf stellen willst – na schön. Aber muss deine Nicole auf Händen hinter dir herlaufen, Liebling?
… Tommy sagt, ich wäre so still. Als ich wieder gesund war, habe ich nachts viel mit Dick geredet. Wir haben uns im Bett aufgesetzt und Zigaretten angezündet; dann sind wir aus der blauen Dämmerung zurück in die Kissen getaucht, um unsere Augen vor dem Licht zu schützen. Manchmal singe ich und spiele mit den Tieren, ein paar Freunde habe ich auch – Mary zum Beispiel. Wenn ich mich mit Mary unterhalte, hört allerdings keiner dem anderen zu. Reden, das ist Sache der Männer. Wenn ich rede, |250| dann tue ich so, als wäre ich vielleicht Dick. Ich bin sogar schon mein Sohn gewesen, weil er so langsam und klug ist. Manchmal bin ich Professor Dohmler und irgendwann werde ich vielleicht sogar ein Teil von dir sein, Tommy Barban. Tommy ist in mich verliebt, glaube ich, aber ganz sanft und beruhigend. Aber immerhin doch so stark, dass er und Dick begonnen haben, einander nicht mehr recht leiden zu können. Alles in allem sind die Dinge nie besser gewesen. Ich bin unter Freunden, die mich mögen. Ich bin hier an diesem friedlichen Strand mit meinem Ehemann und meinen zwei Kindern. Es ist alles in Ordnung – jedenfalls, wenn ich es schaffe, dieses verdammte Rezept für das
Chicken Maryland
ins Französische zu übersetzen. Meine Zehen fühlen sich warm an im Sand.
»Ja, ich schau mal. Noch mehr neue Leute – oh, dieses Mädchen – ja. Wem sieht sie deiner Meinung nach ähnlich? Nein, hab ich nicht. Wir haben hier wenig Gelegenheit, neue amerikanische Filme zu sehen. Rosemary wer? Naja, es wird offenbar Mode, im Juni hierherzukommen – ich find es irgendwie komisch. Ja, sie ist zauberhaft, aber manchmal sind hier auch einfach zu viele Leute.«
11
Im August saßen Doktor Richard Diver und Rosemarys Mutter in Cannes im »Café des Alliés« unter kühlen, staubigen Bäumen. Das Glitzern des Glimmers im harten Boden war stumpf, der Mistral, ein böiger Wind, wehte aus dem Esterelgebirge herunter und ließ die Fischerboote im Hafen schaukeln, sodass die Masten vor dem blassen Himmel mal hier- und mal dorthin zeigten.
|251| »Ich habe heute Morgen einen Brief aus Paris erhalten«, sagte Mrs Speers. »Sie müssen ja wirklich einen Riesenärger mit diesen ganzen Negern gehabt haben! Aber Rosemary sagt, Sie
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