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Zaertlich ist die Nacht

Zaertlich ist die Nacht

Titel: Zaertlich ist die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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wären absolut reizend zu ihr gewesen.«
    »Rosemary hat sich einen Tapferkeitsorden verdient. Es war ziemlich grauenhaft   – der Einzige, den es überhaupt nicht gestört hat, war Abe North. Der ist nach Le Havre geflohen und weiß womöglich bis heute noch nichts von der ganzen Geschichte.«
    »Es tut mir leid, dass sich Ihre Frau so darüber aufgeregt hat«, sagte sie vorsichtig.
    Rosemary hatte geschrieben:
Nicole war völlig außer sich. Ich bin lieber nicht mit zurück nach Cannes gekommen, weil ich das Gefühl habe, dass Dick ohnehin schon alle Hände voll zu tun hat.
    »Es geht ihr schon wieder gut«, sagte er beinahe ungeduldig. »Und Sie wollen morgen abreisen? Wann fahren Sie denn zurück in die Staaten?«
    »Gleich anschließend.«
    »Mein Gott, das ist schrecklich, dass Sie schon wieder weg müssen.«
    »Nun ja, wir sind froh, dass wir hier waren. Es war für uns eine gute Zeit, dank Ihnen. Sie sind der erste Mann, den Rosemary wirklich gemocht hat.«
    Ein weiterer Windstoß fegte von den Porphyrhügeln von la Napoule herunter. Eine Ahnung, dass die Erde anderem Wetter entgegeneilte, lag in der Luft. Der heiße, zeitlose Augenblick des Hochsommers war schon vorbei.
    »Rosemary hat sich ein paar Mal verknallt, aber früher oder später hat sie die Männer immer bei mir abgeladen«   – Mrs Speers lachte   – »zur Obduktion, sozusagen.«
    »Dann bin ich also verschont worden?«
    |252| »Es gab nichts, was ich hätte tun können. Sie war schon in Sie verliebt, ehe ich Sie überhaupt das erste Mal gesehen habe. Ich hab ihr gesagt, sie solle es tun.«
    Er stellte fest, dass es in Mrs Speers Plänen keine Rücksichten auf ihn gegeben hatte oder gar auf Nicole   – ihre völlig amoralische Haltung gehörte offenbar zu den Privilegien ihres persönlichen Rückzugs. Amoralisch zu sein betrachtete sie offenbar als ihr gutes Recht   – gewissermaßen die Belohnung dafür, dass sie ihre eigenen Gefühle in Rente geschickt hatte. In ihrem Überlebenskampf sind Frauen notwendigerweise zu beinahe allem fähig, und wegen solcher künstlichen Verbrechen wie »seelischer Grausamkeit« konnte man sie wohl schwerlich verurteilen. Solange die Rangelei zwischen Liebe und Schmerz innerhalb der angemessenen Grenzen blieb, konnte Mrs Speers sie mit so viel Gelassenheit und Humor betrachten wie eine Eunuchin. Sie hatte offenbar nicht im Traum daran gedacht, dass Rosemary Schaden nehmen könnte   – oder war sie sich so sicher, dass dies ohnehin unmöglich war?
    »Wenn es wahr ist, was Sie mir gerade erzählt haben, dann hat es ihr bestimmt nicht geschadet.« Bis zuletzt hielt er die Fiktion aufrecht, dass er objektiv über Rosemary reden könnte. »Sie hat es schon jetzt überwunden. Trotzdem   – so viele wichtige Phasen im Leben wirken am Anfang fast zufällig.«
    »Das war überhaupt nicht zufällig«, beharrte Mrs Speers. »Sie waren der erste Mann, der sie interessiert hat   – Sie sind ein Ideal für sie. Das schreibt sie in jedem Brief.«
    »Das ist sehr liebenswürdig von ihr.«
    »Sie und Rosemary sind die liebenswürdigsten Menschen, die ich kenne, aber das meint sie wirklich ernst.«
    »Meine Liebenswürdigkeit ist nur ein Trick des Herzens.«
    |253| Das war teilweise richtig. Von seinem Vater hatte Dick die durchaus bewusste Höflichkeit eines jungen Südstaatlers gelernt, der nach dem Bürgerkrieg in den Norden gekommen war. Er setzte seine guten Manieren gern ein, verachtete sie aber gleichzeitig auch; denn sie waren kein Protest gegen den Egoismus als solchen, sondern nur dagegen, wie hässlich er aussah.
    »Ich habe mich in Rosemary verliebt«, sagte er plötzlich. »Es ist ein gewisser Luxus, dass ich Ihnen das sage.« Es erschien ihm höchst befremdlich und offiziell, so als würden die Tische und Stühle des Cafés sich dieses Geständnis für immer merken. Schon jetzt vermisste er Rosemary unter dem südlichen Himmel: Am Strand dachte er an das sonnenverbrannte Fleisch ihrer Schultern, in Tarmes hatte er ihre Fußabdrücke im Garten verwischt, und jetzt begann das Orchester mit dem Karnevalsschlager von Nizza, einer Erinnerung an die Freuden des letzten Jahres, und auch der brachte den kleinen Tanz in Gang, der sie überall umgab, wo sie hinging. In den hundert Stunden, die sie hier gewesen war, hatte Rosemary alle schwarze Magie der Welt aufgesogen: die Tollkirsche mit ihren Phantasmagorien, das körperliche in nervöse Energie verwandelnde Koffein und die Alraune, die alles mit Harmonie

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