Zärtlich wie ein Krieger / Wächter der Seelen. Roman
Grunde deines Herzens nicht immer noch die, die du vor seinem Tod warst? Ein bisschen gezeichnet, zweifellos, aber tief im Inneren nicht doch dieselbe?«
Kiyoko verzog das Gesicht. »Nein, ich bin jetzt viel schwächer.«
»Körperlich vielleicht. Aber nicht geistig.« Lena lächelte wieder, diesmal mit einem Anflug von spitzbübischem Humor. »Weißt du, was Brian sagen würde, wenn er jetzt hier wäre?«
Kiyoko schüttelte den Kopf.
»Ich sag’s dir lieber selbst«, ließ sich Brian vernehmen. Er kam vom Kraftraum quer durch die Halle auf sie zu. Mit verstrubbeltem sandfarbenem Haar und verschwitztem T-Shirt legte er Lena einen Arm um die Schultern und lächelte Kiyoko an. »Reiß dich zusammen, Prinzessin. Hör auf zu heulen und geh zurück an die Arbeit.«
Lena blickte von Kiyoko zu Brian. »Er macht nur Witze. Das sagt er auch immer zu mir.« Sie stieß ihm den Ellbogen in die Rippen. »Nur, dass er dabei grinst.«
Ihr Versuch, ihn zu rügen, scheiterte kläglich.
Er hielt Kiyokos Blick stand. »Ich mache nur ein bisschen Spaß. Die Wahrheit ist: Satan macht keine halben Sachen, Miss Ashida. Wenn Sie so versessen darauf sind, die Höllenbrut zurückzuschlagen, wie wir, dann kann ich Ihre Hilfe gut gebrauchen. Nur für den Fall, dass Sie es noch nicht gemerkt haben: Wir kämpfen hier um das Überleben der Menschheit. Tun Sie, was Sie tun müssen, um sich mit diesem Gedanken anzufreunden, aber machen Sie sich darauf gefasst, dass Sie den Schleier herausgeben müssen.«
Der Mann trug seinen lässigen Charme wie einen edlen italienischen Anzug zur Schau, aber das Versprechen in seinen Augen hatte ganz und gar nichts Lässiges: Er würde den Schleier mit Gewalt an sich bringen, wenn es notwendig sein sollte.
Es war allein die Aufbietung all ihrer Willenskraft, die Kiyoko davor bewahrte, sich in einer schützenden Geste die Arme um die Taille zu schlingen. »Haben Sie einen bestimmten Zeitpunkt im Auge?«
»Gestern wäre schön.« Seine Bemerkung trug ihm einen weiteren Stoß in die Rippen ein. »Je eher, desto besser. Wenn der Große Rote entdeckt, dass der Schleier hier ist, kann es sehr schnell sehr schlimm werden.«
»Genügt Montag?«
Er seufzte. »Kaum. Aber wenn das die einzige Alternative ist, nehme ich sie.«
Kiyoko verbeugte sich höflich vor dem Paar und verließ die Arena. Die Entscheidung war also gefallen. Am Montag würde sie ihre ewigen Zweifel fortwischen und das Transzendenzritual durchführen.
Sora würde das gefallen.
Murdoch dagegen …
Das ganze Abendessen über bedachte Kiyoko Murdoch mit seltsamen Blicken. Einige waren nachdenklich, andere erwartungsvoll, wieder andere besorgt. Die besorgten bereiteten ihm Kopfzerbrechen.
»Wo ist Watanabe?«, fragte er sie, als ihr Gespräch mit Sora, der neben ihr saß, verstummte.
»Er hat eine Telefonkonferenz mit Japan. Dort ist es jetzt zehn Uhr morgens.«
»An einem Samstag.«
Sie nickte. »Heute Nacht hat es in einer unserer Fertigungsstätten gebrannt, und jetzt versucht er, Verzögerungen in der Produktion abzuwenden.«
Natürlich. Der Mann war ein verfluchter Heiliger. Murdoch nahm sich zum zweiten Mal Nachschlag von den grünen Bohnen und fragte, während er die Schüssel wieder abstellte: »Wer hat gekocht?«
»Ich war das.«
Er sah stirnrunzelnd zu Emily hinüber. »Du?«
»Mom hat mir ein paar Tipps gegeben«, nickte sie. »Sie hat gesagt, falls ich etwas essen will, während sie im Krankenhaus ist, dann sollte ich besser kochen lernen.«
Murdoch nahm die halb leeren Platten mit Brathähnchen, gebackenen Kartoffeln und gekochtem Gemüse ins Visier. »Wollte sie damit etwa sagen, dass wir anderen schlecht kochen?«
Emily schluckte den Bissen, den sie im Mund hatte, hinunter, bevor sie antwortete. »Nein, sie war der Meinung, dass Brian und Lena schlecht kochen. So in der Art: Lass sie nur in die Küche, wenn du Lust auf eine Lebensmittelvergiftung hast. Ihr zufolge kann Carter kochen, aber sein Talent beschränkt sich auf Steak vom Grill. Und du bist ein Sternekoch, bist aber nie da, wenn es losgehen soll. Kiyoko, Yoshio und der Sensei sind Gäste, deshalb hat sie nichts über ihre kulinarische Qualifikation gesagt.«
Alle am Tisch lächelten.
»Und was hält sie von MacGregors Künsten?«, wollte Carter wissen, während er sich eine Scheibe vom Hühnchen abschnitt.
Emily verdrehte die Augen. »Sie sagte, er hat das Zeug zu einem brillanten Koch. Aber er konzentriert sich lieber auf andere Dinge.«
Webster
Weitere Kostenlose Bücher